05.05.2025 Nachruf auf Prof. Dr. Dagmar Grassinger

Das Archäologische Seminar der Philipps-Universität Marburg trauert um Prof. Dr. Dagmar Grassinger, die im Alter von 70 Jahren am 16. April 2025 in Marburg gestorben ist.

Dagmar Grassinger wurde am 1. Dezember 1954 in Heidelberg geboren. Sie studierte Klassische Archäologie, Kunstgeschichte und Alte Geschichte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und wurde dort 1987 mit einer von Tonio Hölscher betreuten Dissertation promoviert, die 1991 als Monographie „Römische Marmorkratere“ publiziert wurde – bis heute das Standardwerk zu dieser Monumentgattung und darüber hinaus eine differenzierte Untersuchung klassizistischer Kunst als Rezeption und Umbildung von Motiven klassischer Zeit für Auftraggeber während der späten römischen Republik und frühen Kaiserzeit. Die Beobachtung, dass diese Prachtvasen seit der Renaissance begehrte Sammlungsstücke und Vorbilder nachantiker klassizistischer Schöpfungen waren, führte zu einer Reihe von Studien zur Antikenrezeption in Italien und England im 17. und 18. Jahrhundert.
Ihre Expertise auf diesem Gebiet konnte Dagmar Grassinger in das von Hansgeorg Oehler am Forschungsarchiv für Römische Plastik in Köln initiierte Projekt „Antike Skulpturen in englischen Schlössern“ einbringen, zu dem sie den 1994 publizierten Band „Antike Marmorskulpturen auf Schloß Broadland (Hampshire)“ beitrug. Neben einem Katalog der Skulpturen enthält er eine anschauliche Darstellung der Erwerbungs- und Sammlungsgeschichte, der man die Freude der Autorin an diesem Thema anmerkt.
1991 schloss sich Dagmar Grassinger in Marburg der Gruppe von Autorinnen und Autoren des „Corpus der Antiken Sarkophagreliefs“ an, einem der großen Corpus-Unternehmen des Deutschen Archäologischen Instituts, dass von Friedrich Matz d.J. in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg nach Marburg geholt worden war und dort noch in der Amtszeit der Herausgeber Bernard Andreae und Guntram Koch seinen Sitz hatte. In dieser Zeit entstanden, neben mehreren Aufsätzen zur Ikonographie römischer Sarkophage, Band XII. der Reihe „Antike Sarkophagreliefs. Die mythologischen Sarkophage Teil 1, Achill bis Amazonen“ und die im Jahr 2000 an der Philipps-Universität Marburg erfolgreich eingereichte Habilitationsschrift „Leben und Sterben in schönen Bildern. Zur Bedeutung griechischer Mythen auf römischen Sarkophagen“.
Weitere Stationen der wissenschaftlichen Laufbahn Dagmar Grassingers waren Universitäten in London, Mainz, Bonn, Berlin und Köln, wo sie ihre Freude an der archäologischen Forschung in die universitäre Lehre übersetzte. Ihre Studierenden berichteten immer wieder, dass sie bei ihr viel lernen konnten und ihr Schwung und ihre Begeisterung ansteckend wirkten.
Dagmar Grassinger engagierte sich auch als Kuratorin für die Vermittlung archäologischer Forschung. Die zunächst für die brasilianische Öffentlichkeit konzipierte Ausstellung „Deuses Gregos“ mit antiken Objekten aus den Staatlichen Museen zu Berlin war 2006 in São Paulo so erfolgreich, dass sie anschließend in Rio de Janeiro und mit dem Titel „Die Rückkehr der Götter. Berlins verborgener Olymp“ seit 2008 in Berlin gezeigt wurde.
Nach Erreichen der Altergrenze wählte Dagmar Grassinger Marburg als Wohnsitz für die neue Lebensphase, in der sie weiter ihren vielfältigen Interessen nachzugehen plante. Sie brachte sich auch wieder in das universitäre Leben am Archäologischen Seminar ein, mit Vorlesungen und Vorträgen im archäologischen Kolloquium und der Reihe der Ringvorlesungen des Marburger Centrum Antike Welt, zuletzt den Vortrag „Antizipierte Vergangenheit. Erinnerung und Zukunftserwartung in Monumenten und Bildern der römischen Kaiserzeit“. Zugleich arbeitete sie an weiteren Publikationen, zuletzt an den Korrespondenzen, die im 19. Jahrhundert zur Gründung der Antikensammlungen in München geführt wurden und zu Carl Robert als Sarkophagforscher.
Alle Pläne Dagmar Grassingers wurden zunichte, als unvorhersehbar ihr Herz seinen Dienst versagte. Einige ihrer Arbeiten müssen nun postum erscheinen, andere unvollendet bleiben, darunter eine Monographie zu römischen Sarkophagen, in der die Ergebnisse ihrer Habilitationsschrift aufgegriffen und in einen weiteren zeitgeschichtlichen Zusammenhang gestellt werden sollten.
Wir werden Dagmar Grassinger dankbar ein würdiges Andenken bewahren.
Kontakt
Archäologisches Seminar
Mail: amedick@uni-marburg.de