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Lexikalische Fähigkeiten bilingualer Kinder mit Migrationshintergrund. Eine Studie zum Benennen von Nomen und Verben im Russischen und Deutschen.

Prof. Dr. Annegret Klassert

Kontakt

Universität Potsdam, ZAPP Potsdam
klassert@uni-potsdam.de 

Betreuung

Prof. Christina Kauschke, Universität Marburg
PD Dr. Natalia Gagarina, ZAS Berlin

Projektbeschreibung

In der vorliegenden Dissertation wurde in einer Querschnittsstudie das Benennen von Nomen und Verben von 60 vier- bis sechsjährigen russisch-deutsch bilingualen Kindern mit Migrationshintergrund erfasst und sowohl zwischen den beiden Sprachen der bilingualen Kinder als auch mit russischen und deutschen monolingualen Kindern verglichen.

In den Entwicklungsmustern zeigten sich deutliche Effekte des Status einer Sprache: In der Umgebungssprache Deutsch wurde ein Ansteigen der lexikalischen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter beobachtet. Die lexikalischen Fähigkeiten der bilingualen Kinder zu Schulbeginn entsprechen denen von einem Jahr jüngeren monolingualen Kindern. In der Herkunftssprache Russisch wuchsen die lexikalischen Fähigkeiten der bilingualen Kinder der Stichprobe schon ab einem Alter von vier Jahren nicht mehr an. Bereits in diesem Alter waren die lexikalischen Fähigkeiten im Russischen signifikant geringer als von monolingual russischen Kindern. Mit zunehmendem Alter wurde diese Diskrepanz größer. Nur wenn die Kinder durch ein bilinguales Bildungsprogramm im Russischen gefördert wurden (dies wurde für die sechsjährigen Kinder differenziert untersucht), wuchsen die Fähigkeiten in dieser Sprache weiter an. Der Vergleich zwischen den Sprachen der bilingualen Kinder zeigte, dass, gemessen an den Korrektheitswerten und am Sprachmischverhalten, das Deutsche bereits im Kindergartenalter zur dominanten Sprache wird.

Zeichnungen zum Projekt
Zeichnung: Matthias Deschner

Die differenzierte Betrachtung der Wortarten ergab, dass das Nomenbenennen bei bilingualen Kindern stärker eingeschränkt ist als das Verbbenennen. Aus diesen Befunden lässt sich ableiten, dass die bilinguale Erwerbssituation nicht Probleme im Erwerb semantisch-konzeptuell komplexer Wörter verstärkt. Diese Schlussfolgerung wird durch die Beobachtung untermauert, dass bilinguale Kinder über mehr Verbkonzepte verfügen als monolinguale Kinder. In weiteren Analysen zeigte sich, dass nur das Nomenbenennen bilingualer Kinder stärker von der Frequenz beeinflusst ist als bei monolingualen Kindern und dieses auch deutlicher von der Menge des Sprachgebrauchs in den Einzelsprachen der bilingualen Kinder beeinflusst wird. Zusammengenommen, weisen diese Befunde auf eine erhöhte Frequenzsensitivität von Nomen unter bilingualen Erwerbsumständen hin, was auf die unterschiedliche Verteilung von Nomen und Verben im Input zurückgeführt wird. Aus den Befunden ergeben sich eine Vielzahl praktischer Implikationen für die Diagnostik und Förderung der lexikalischen Fähigkeiten bilingualer Kinder.

Publikationen zur Dissertation

Klassert, A., Kauschke, C. & Gagarina, N. (2014) Object and action naming in Russian- and German-speaking monolingual and bilingual children. Bilingualism: Language and Cognition 17(1), 73-88. Klassert, A. (2011) Lexikalische Fähigkeiten bilingualer Kinder mit Migrationshintergrund. Eine Studie zum Benennen von Nomen und Verben im Russischen und Deutschen. Dissertation an der Philipps-Universität Marburg. http://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2011/0621/pdf/dak.pdf

Klassert, A., Gagarina, N. & Kauschke, C. (2009) Lexikalische Fähigkeiten bilingualer Kinder. Spektrum Patholinguistik, 2, 113-120. https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/index/index/docId/3086

Publikationen zu verwandten Themen

Gagarina, N., Klassert, A. & Topaj, N. (2010/1015) Sprachstandstest Russisch für mehrsprachige Kinder/Russian language proficiency test for multilingual children. ZAS Papers in Linguistics 54 - Sonderheft. Berlin: ZAS./ Тест по русскому языку для билингвальных детей. Златоуст.Czapka, S. & Klassert, A. (2015) Fehleranalyse Schreiben (FeSCH): Bi- und monolinguale Kinder im Vergleich. Spektrum Patholinguistik, 8, 201–208. https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/index/index/docId/7714

Gagarina, N., Armon-Lotem, S., Altman, C., Burstein-Feldman, Z., Klassert, A., Topaj, N., Golcher, F. & Walters J. (2014) Age, input quantity and their effect on linguistic performance in the home and societal language among Russian-German and Russian-Hebrew preschool children. In R. Silbereisen, P. F. Titzmann & Y. Shavit (Hrsg.) The Challenges of Diaspora Migration: Interdisciplinary Perspectives on Israel and German, 63-82. Ashgate publ.

Kauschke, C. & Klassert. A. (2014) Intervention bei mehrsprachigen Kindern mit lexikalischen Störungen. In S. Chilla & S. Haberzettl (Hrsg.), Mehrsprachigkeit, Reihe: Handbuch Sprachentwicklung und Sprachentwicklungsstörungen, 173-182. Elsevier: Urban & Fischer.

Klassert, A. & Kauschke, C. (2014) Semantisch-lexikalische Entwicklungsstörungen bei mehrsprachigen Kindern. In S. Chilla & S. Haberzettl (Hrsg.), Mehrsprachigkeit, Reihe: Handbuch Sprachentwicklung und Sprachentwicklungsstörungen, 121-134. Elsevier: Urban & Fischer.

Klassert, A. & Gagarina, N. (2010) Der Einfluss des elterlichen Inputs auf die Sprachentwicklung bilingualer Kinder: Evidenz aus russischsprachigen Migrantenfamilien in Berlin. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 4. 413-425.