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Vita

Foto: Hessisches Musikarchiv
Maria Fellinger, Gustav Jenner, Öl auf Leinwand

In einem Brief trat Gustav Jenner am 13. Januar 1888 an Johannes Brahms mit der Bitte heran, dieser möge ihm persönlichen Unterricht erteilen.  Die Worte "[d]och Sie selber, lieber Herr Doctor, haben mir gesagt, daß etwas in meinen Arbeiten sei, was Ihnen Freude gemacht habe" schrieb er in Reaktion auf ein kurz zuvor stattgefundenes erstes Treffen, das Jenners Mentor, der zum Brahmschen Freundeskreis gehörende Dichter Klaus Groth, in die Wege geleitet hatte. Von Keitum auf Sylt stammend, wo er am 3. Dezember 1865 geboren wurde, verbrachte Jenner seine Schulzeit zunächst in Mülheim a. d. Ruhr und dann ab 1884 in Kiel. Seit seiner Kindheit lernte er u. a. bei Theodor Gänge Klavierspielen und nahm zwischen 1884 und 1887 zusätzlich Unterricht in Komposition bei Arnold Krug.

Interessanterweise erhielt Jenner eine positive Antwort von Johannes Brahms, der bis zu diesem Zeitpunkt eine Tätigkeit als Lehrer eher abgelehnt hatte. Der Bescheid, "[w]as Sie von mir zu wünschen haben könnten, steht Ihnen in vollem Maße zu Diensten", den Brahms ihm in einem Brief im Januar 1888 zukommen ließ, führte schon Anfang Februar 1888 zu Jenners Umzug von Kiel nach Wien.

Foto: Hessisches Musikarchiv

Finanziell ermöglicht wurde ihm dies durch die Unterstützung  wohlwollender Gönner, die ihm ein Stipendium zusicherten. In Wien erhielt Jenner Unterricht von Johannes Brahms - und wurde so zum einzigen Kompositionsschüler, den Brahms jemals annahm. Inhaltlich scheint Brahms in diesen Studien hauptsächlich Kompositionen Jenners korrigiert und diesen zu stetiger Arbeit angehalten zu haben. Die technische Basis zum Komponieren erwarb sich Jenner mit Hilfe von Kontrapunktunterricht, den er auf Brahms' Empfehlung bei Eusebius Mandyczewski nahm.

Parallel zu seinem Studium wurde Jenner von Brahms peu à peu in die Wiener Gesellschaft eingeführt, wobei der Kontakt mit der Familie von Dr. Richard Fellinger eine besondere Rolle spielte. Seit dem Winter 1888 war Jenner täglicher Tischgast und lernte bei den zahlreichen musikalisch geprägten Abenden bedeutende Musiker kennen. Diese Zusammenkünfte boten ihm auch immer wieder die Möglichkeit, neue Kompositionen - hauptsächlich kammermusikalische Stücke wie Klavierwerke und Lieder - erstmals zu Gehör zu bringen. Bereits in den Jahren 1890 und 1892 folgten dann mit op. 1 und 2 Jenners erste Veröffentlichungen.

Foto: Uwe Henkhaus

In Wien blieb Gustav Jenner mit kurzen Unterbrechungen, wie etwa wegen seines Militärdienstes, bis 1895, als er sich um die freigewordene Stelle als akademischer Musikdirektor an der Universität Marburg bewarb. Sein Ziel war es, "eine regelmäßige Thätigkeit und ein Feld [...] zu haben, wo ich mich praktisch bethätigen kann", wie er seinem Mentor Klaus Groth in einem Brief vom 12. August 1895 schrieb. Sicherlich auch durch die Fürsprache von Johannes Brahms erhielt Jenner die Position in Marburg, wo er neben dem Abhalten musikwissenschaftlicher Veranstaltungen auch die musikalische Umrahmung akademischer Festakte sowie die Pflege akademischer Konzerte gewährleisten mußte. So gelang es ihm in den 25 Jahren seines Marburger Wirkens, ein vielseitiges öffentliches Musikleben mit Kammermusikabenden, Chor- und Symphoniekonzerten zu entwickeln. Außerdem wurde ihm aufgrund der Verdienste um das kulturelle Leben Marburgs sowie um das Fach Musikwissenschaft am 26. April 1900 der Professorentitel und am 13. November 1904 die Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg verliehen. Gustav Jenner starb am 29. August 1920 in Marburg.