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Lehr- und Forschungsprofil: Medienreflexionskompetenz

Das Lehr- und Forschungsprofil Medienreflexionskompetenz (MRK) im Fach Deutsch dient der interdisziplinären Verzahnung des Faches mit anderen kultur-, gesellschafts- und medienwissenschaftlichen Disziplinen und ihren Didaktiken und der angeleiteten Übertragung aktueller Forschungsthemen und -erkenntnisse im Feld der Medienreflexion in schulpraktische Lehrmodelle.

Medienreflexionskompetenz bezeichnet dabei die Befähigung, mediale Vermittlungsprozesse bewusst analytisch nachzuvollziehen und einzuschätzen. Damit stellt sie für eine zunehmend digital agierende Gesellschaft eine vorrangige Schlüsselkompetenz dar, die schulisch ausgebildet und entsprechend universitär beforscht und aufbereitet werden muss.

Unter dem Dach des Lehr- und Forschungsprofils MRK werden interdisziplinäre Fokus-Projekte zu medienreflexiven, gesellschaftlich relevanten und schulpraktisch adaptierbaren Forschungsschwerpunkten entwickelt. Durch die Verzahnung von Forschung, Studium und Schulunterricht wird dabei ein stetiger wechselseitiger Transfer ermöglicht.

Marburger Lehramtsstudierende erhalten die Möglichkeit, im Fach Deutsch innerhalb ihres Studiums einen entsprechenden Schwerpunkt zu setzen.

Was ist Medienreflexionskompetenz?

Wir bestimmen Medienreflexionskompetenz als Befähigung, mediale Vermittlungsprozesse bewusst analytisch nachzuvollziehen und einzuschätzen. Der Begriff dient dabei weniger der Definition eines eigenen Gegenstands medientheoretischer Grundlagenforschung als vielmehr als übergeordneter Orientierungs- und Fluchtpunkt für die zu den Fokus-Themen entwickelten Forschungs- und Lehraktivitäten. Er schließt unmittelbar an den im Bildungsdiskurs verbreiteten Medienkompetenz-Begriff an, greift dessen basalen Beobachtungsimpuls auf, integriert die praxeologische Ausrichtung, spezifiziert sie aber dezidiert reflexiv. Der so abgesteckte Rahmen schafft eine langfristig konstante Basis für vielfältige, variable und stetig aktualisierbare Forschungsvorhaben, die durch ihre zwingende Festlegung auf Medienreflexivität, gesellschaftliche Relevanz und schulpraktische Adaptierbarkeit dennoch verlässlich untereinander bezugsfähig bleiben.

Mithilfe der Medienreflexionskompetenz als breit angelegtes Lehr- und Forschungsprofil begegnen wir damit nicht zuletzt der vehementen bildungspolitischen Forderung nach einer erhöhten schulischen Medienkompetenzentwicklung und nach digitaler Teilhabe auf dezidiert fachwissenschaftlich fundierte und gleichwohl schulpraktisch anschlussfähige Weise. Das Lehr- und Forschungsprofil leistet so einen wesentlichen Beitrag zur Professionalisierung angehender Lehrkräfte des Faches Deutsch.

Lehrformate

Zur produktiven Verzahnung der Forschungstätigkeiten mit universitären Lehrveranstaltungen und Schulpraxis wurden drei unterschiedliche Lehrformate entwickelt:

1. MRK:Forum

Das MRK:Forum ist ein Seminar für fortgeschrittene Studierende, in dem sowohl basale Analysestrategien zur Medienreflexion vorgestellt werden wie auch aktuelle Abschlussarbeiten, Promotionsprojekte und Forschungsansätze im Feld.

2. MRK:Schule-Seminare

Die MRK:Schule-Seminare sind fachdidaktische Lehrveranstaltung, die fachwissenschaftliche Forschungserkenntnisse zu aktuellen Medienthemen didaktisch reflektieren und aufbereiten, um sie in Workshops der Europaschule Gladenbach den Schülerinnen und Schülern ansprechend zu vermitteln.

Die Seminare sind zentraler Bestandteil des Lehrprojekts Medienreflexionskompetenz im Unterricht, das seit 2022 im Rahmen von schule@zukunft: Medienpraxis und Medientheorie phasenübergreifend denken: Medienbildung an der Philipps-Universität Marburg [https://www.uni-marburg.de/de/zfl/projekte/schule-zukunft] gefördert wird.

Die Workshops werden nach einer intensiven Evaluation und Auswertung redaktionell bearbeitet und bilden dann die Basis eines wachsenden Archivs an Unterrichtsmodellen zur Medienreflexion (Open Educational Ressource) und eines Fortbildungsangebotes für Lehrkräfte.

  • Aktuelle Workshopthemen

    TikTok auf der Überholspur – Was macht TikTok mit dir?
    Schön gefiltert – Gefiltert schön? zu Instagram-Filtern
    11 von 10 Sternen – gerne wieder! – Onlinebewertungen zwischen Zahlen und Emotionen
    Klimaaktivist vs. Klimaterrorist: Gezielte Manipulation in der (sozial-)medialen Berichterstattung und politischen Kommunikation
    Mensch gegen K.I. – Wir gegen ChatGPT

3. MRK:Fokus-Seminare

Die MRK:Fokus-Seminare sind fachwissenschaftliche Lehrveranstaltung zu den Fokusthemen, die unmittelbar in aktuelle Forschungsfragen eingebunden werden und in der Regel interdisziplinär angelegt sind.

Aktuelle Fokusthemen

1. MRK:Fokus: Widerständiges Lesen - Irritationsmomente in Leseprozessen produktiv nutzbar machen

Der Fokus untersucht die Bildungspotentiale des Widerständigen Lesens, d. h. jener Leseprozesse, die irritiert werden, stocken und sogar scheitern. Das Widerständige Lesen wird hierzu transversal erschlossen und parallel dazu lehrpraktisch erprobt. Widerständiges Lesen umfasst dabei zwei Kompetenzdimensionen, nämlich 1.) die Befähigung, widerständige Leseprozesse als Anlass zu produktiver, ergebnisoffener und medienbewusster Reflexion zu nutzen und 2.) die Befähigung, widerstandsfreie Leseprozesse eigeninitiativ zu irritieren und zu deautomatisieren, um deren Reflexion zu veranlassen.

  • Umsetzung

    Zur Konturierung der Forschungsvorhaben wurde im SoSe 2021 ein interdisziplinärer Workshop mit fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteilen durchgeführt. Der Workshop war eingebettet in ein Begleitseminar für fortgeschrittene Lehramts- und MA-Studierende, in dem die vorgestellten Lesemodi erprobt und diskutiert wurden. Im Folgesemester (WiSe 2021/22) wurden im didaktischen Vertiefungsseminar einige dieser Modi für den Einsatz in Schule aufbereitet. Im WiSe 2023/24 knüpfen wir an die Vorarbeiten an und erweitern das Spektrum der Lesemodi um zentrale Aspekte des Social Readings und des medienbewussten Lesens im digitalen Zeitalter. Hierzu findet ein Workshop statt, der ins Seminargeschehen eingebunden ist. In der Folge erarbeiten die beteiligten WissenschaftlerInnen ein Format für ein erweiterbares digitales Lesemodi-Archiv, das durch das Netzwerk Leseforschung im Feld ventiliert und popularisiert werden soll. Hierzu ist ein weiterer Workshop für das WiSe 2024/25 angesetzt.

  • Beteiligte WissenschaftlerInnen / Kooperationen (Auswahl)

    Prof. Dr. Fabian Wolbring (NdL/Literaturdidaktik, Marburg), PD Dr. Ines Heiser (Literaturdidaktik, Marburg), Netzwerk Leseforschung, Bärbel Reifelshöfer Prof. Dr. Steffen Gailberger (Literaturdidaktik, Wuppertal), Prof. Dr. Anne Holzmüller (MuWi, Marburg), PD Dr. Nicola ,(Literaturdidaktik, Marburg), Prof. Dr. Andrea Polaschegg (NdL, Bonn), Franziska Plettenberg (Literaturdidaktik, Marburg), Prof. Dr. Florian Radvan (Fachdidaktik Deutsch, Bonn), Prof. Dr. Ute Schneider (Buchwissenschaft, Mainz), PD Dr. Corinna Schlicht (NdL, Duisburg-Essen), u.a.

2. MRK:Fokus: Lied und Lead - Suggestionen des Liedhaften nachvollziehen

Vorlesungsprogramm "Following the Lieder" im Sommersemester 2023

Der Fokus verbindet sprach-, literatur- und musikwissenschaftliche Analysezugänge, um das Liedhafte als wesentliches Merkmal popularisierungsfähiger Texte und Texteinheiten zu ergründen. Diese sollen dann sukzessive didaktisiert und in Unterrichtsvorhaben für die Schule überführt werden. Der suggestive Charakter des Liedhaften (auch in Hooklines, Jingles, Hashtags, Memes, Slogans, u.ä.) soll dadurch fass- und reflektierbar werden. Dabei werden dezidiert die Querschnittsthemen Digitalisierung und Demokratiebildung fokussiert, da besonders jene Liedaspekte herausgearbeitet werden, die sozialmediale Entsprechungen im digitalen Kommunikationsverhalten und populistischer Rhetorik haben (Prägnanz, Formelhaftigkeit, Tag-Qualität). 

  • Umsetzung

    Der Fokus ist kooperativ eingebunden in die sich konstituierende Forschergruppe „Lied“ (Marburg, Siegen, Bonn) und profitiert von dessen konzeptionellen Vorarbeiten und Aktivitäten, etwa in der Ringvorlesung (RV: „Following the Lieder - Formen, Praktiken und Potentiale einer dynamischen Gattung“. Er wird vor allem über interdisziplinäre Exkursions-Seminare in die Lehre implementiert. Dabei werden Songs in interdisziplinären Tandems vorbereitet und in gemeinsamen Werkstattsitzungen erschlossen und didaktisiert. Die Seminare beziehen dabei außerschulische Lernorte als produktive Lernumgebung mit ein und nutzen auch kreative und handlungs- und produktionsorientierte Lehrmethoden (Soundscaping, Schreibwerkstatt, immersive Spaziergänge). Nach Seminaren im Schloss Rauischholzhausen und im Kleinwalsertal (Österreich) folgt im WS 24/25 eine Exkursion in die „Liederstadt: Berlin“.

  • Beteiligte WissenschaftlerInnen / Kooperationen (Auswahl)

    Prof. Dr. Fabian Wolbring (NdL/Literaturdidaktik, Marburg), Prof. Dr. Anne Holzmüller (MuWi, Marburg), Prof. Dr. Andrea Polaschegg (NdL, Bonn), Prof. Dr. Tobias Janz (MuWi, Bonn),  Prof. Dr. Felix Sprang, (Anglistik, Siegen), Prof. Dr. Katharina Hottmann (Musikwissenschaft, Siegen), Prof. Dr. Yasmin Temelli (Lateinamerikanistik, Siegen), Dr. Annika Hildebrandt (NdL, Bonn), u.a.

3. MRK:Fokus: Alles von der Kunstfreiheit gedeckt? – Mediale Gewaltakte be- und verurteilen

Der Fokus geht den Fragen nach, nach welchen pragmatischen, ästhetischen und moralischen Kriterien sich invektive Sprechakte/mediale Gewaltakte bestimmen lassen, welche Formen von Invektivität/medialer Gewalt in der öffentlichen medialen Kommunikation manifest werden, welche rhetorischen Strategien dabei von den DiskursakteurInnen angewandt werden und welche strukturellen und poetischen Ebenen besonders daran beteiligt sind. Dabei betrachten wir insbesondere literarische bzw. ästhetische Äußerungsformen und deren ambivalenten rechtlichen wie funktionalen Status.

Der Fokus knüpft an virulente gesellschaftliche Diskurse zum einen vor dem Hintergrund der Wokeness-Debatte rund um Cancel Culture und Hate Speech und zum anderen an künstlerische Verantwortung und Machtmissbrauch an, die entemotionalisiert und im interdisziplinären Austausch systematisch fassbar gemacht werden. Die Ergebnisse sollen dabei auch für Unterrichtszwecke operationalisiert werden, um so einerseits Medienreflexionskompetenz zu fördern und andererseits für einen verantwortlichen Sprach- und Mediengebrauch zu sensibilisieren. Zugleich soll der Fokus einen methodischen Beitrag zur Begutachtung von Beleidigungsdelikten in juristischen Kontexten leisten.

  • Umsetzung

    Der Fokus wird in interdisziplinären Lehrprojekten umgesetzt, die unmittelbar mit co-studentischen Arbeitstagungen und Workshops verzahnt werden. So wurde im SoSe 2022 bereits eine interdisziplinäre Arbeitstagung veranstaltet. Diese war eingebettet in zwei Begleitseminare für fortgeschrittene Lehramts- und MA-Studierende, die konzeptionell in die Planung und Umsetzung der Tagung einbezogen wurden (Poster-Präsentationen, Studienprojekte). Dieses Modell mir 2024 aufgegriffen und erweitert. Die Ergebnisse werden wiederum in einem zweitägigen Workshop mit öffentlichem Eröffnungsvortrag einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt und im interdisziplinären Austausch mit Expert:innen aus den Rechts-, Medien-,  Gesellschafts- und Sozialwissenschaften kritisch diskutiert. In Erweiterung des Konzeptes von 2022 kommt die Verzahnung mit der linguistischen Diskussionsreihe "Zur Debatte" neu hinzu. Zudem wird die Erstellung und Publikation eines Leitfadens (digital/print) zum Umgang mit Literatur in gesellschaftlichen und juristischen Streitfragen als wissenschaftlich-didaktisches Ergebnis des Projektes forciert.

  • Beteiligte WissenschaftlerInnen

    Prof. Dr. Hania Siebenpfeiffer, Prof. Dr. Fabian Wolbring, Prof. Dr. Constanze Spieß, Lukas Müller, Raja Moeller, Franziska Plettenberg (alle Marburg), Prof. Dr. Silvia Bonacchi (Warschau), PD Dr. Martin Seeliger (Bremen), Prof. Dr. Tobias Gostomzyk (Dortmund), u.a.

Der MRK-Podcast

Collage der Introfolien der ersten vier MRK-Podcastfolgen

Im Rahmen des MRK-Podcasts werden sowohl aktuelle als auch weniger aktuelle Medienphänomene in ihrer Funktionsweise, Suggestionskraft und Relevanz thematisiert. Der Podcast wird produziert von Raja Möller und Fabian Wolbring in Kooperation mit dem Medienzentrum der Universitätsbibliothek der Philipps-Universität Marburg.

MRK-Podcast #4 mit Sina Lautenschläger zu Schweigen und Ghosting in den sozialen Medien

MRK-Podcast #3 mit Matthias Hahn zu Beleidigungen 

MRK-Podcast #2 mit Martin Seeliger zu Bushido

MRK-Podcast #1 mit Michael Mosel zu Squid Game