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Artes Liberales

Grundlagen – Entwicklung und Ausbreitung – Transformation in die modernen Geistes- und Naturwissenschaften

Das Bildungskonzept der Freien Künste

Grundlagen – Entwicklung und Ausbreitung – Transformation in die modernen Geistes- und Naturwissenschaften


Die Artes liberales sind das bedeutendste Bildungskonzept, das Europa in seiner Geschichte hervorgebracht hat. Sie stellen außerdem ein bislang ungenutzes Potential zur Lösung der gegenwärtigen Krise der Bildung und Bildungspolitik dar. Die zeitlich wie räumlich außergewöhnlich weite Verbreitung hat eine bis in die Gegenwart reichende Wirkungsgeschichte zur Folge. Der im 18. Jahrhundert abgeschlossene Bruch mit dieser Tradition hat aber zu einem unvermerkten, unaufgehellten Weiterwirken geführt. Eine kritische Analyse muß diese subliminalenWirkungen aufdecken. Dabei kann und muß zugleich auch das ausdrücklich überwundene Gegenbild wieder in den Blick kommen und als Korrekturpotential genutzt werden. Dieses Potential hat ebenso historische wie systematische Bedeutung. Der systematische Gehalt muß durch eine Aufarbeitung der historischen Texttraditionen und der Überlieferungswege zu einem guten Teil neu erschlossen und neu gedeutet werden.

Von den antiken und mittelalterlichen Grundtexten der Artes liberales mit ihren erkenntnistheoretischen und anthropologischen Prinzipinen geht eine wirkungsgeschichtliche Tradition aus, die über die Umbruchsphasen im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit, über die Verfestigung des Gegensatzes zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Sie bildet so eine der Grundlagen, ohne die ein zureichendes Verständnis der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte nicht möglich ist.

Andererseits macht die von Platon inaugurierte und in der Spätantike und im Mittelalter systematisch entfaltete Konzeption der Freien Künste ein inhaltliches Angebot, das seit der Frühen Neuzeit schrittweise in Vergessenheit geraten ist, ohne daß es zuvor eine hinreichend differenzierte Kritik seiner Grundlagen gegeben hätte. Diese Grundlagen bestehen in der Ausarbeitung eines Vernunftbegriffs, der im Unterschied zur neuzeitlichen und modernen Vernunftkritik den Menschen nicht dichotomisch in zwei unvermittelbare Teile – Vernunft und Gefühl, Körper und Geist usw. – zerteilt, sondern ihn von seiner Unterscheidungsfähigkeit und deren verschiedenen Formen und Instanzen her begreift. Die Entwicklung der Inhalte der verschiedenen Artes geschieht so durch eine Reflexion auf die verschiedenen Vermögen des Menschen und durch deren Herleitung aus dem Unterscheidungsvermögen.

Ein Mensch ist im Sinne dieses Konzeptes dann optimal und als ganzer entfaltet, wenn er auf die differenzierteste Weise ein bestimmtes Wissen von sich selbst, seinen individuellen, menschlichen Möglichkeiten und Grenzen besitzt. Das Angebot, das die platonische Konzeption der Artes liberales macht, ist das einer Differenzierungskultur, die Bildung als Mittel zur Entfaltung des menschlichen Vermögens, differenziert wahrzunehmen, zu fühlen, zu denken, zuwollen und zu handeln, begreift.

Das Thema des Projektes ist ein umfangreiches geistesgeschichtliches Sachgebiet, dessen Wurzeln bis in die klassische Antike reichen, dessen zentrale Stationen in der Spätantike und im Mittelalter liegen und dessen Transformation mit der Ausbildung der modernen Geisteswissenschaften zusammenfällt. Dieses historische Sachthema hat unmittelbare Bedeutung für die gegenwärtig zu führende Diskussion über alternative Fundierungen des modernen Bildungsverständnisses und seiner Umsetzung in schul- und wissenschaftspolitischen Entscheidungen.

Leitung:

Fachgebiete und spezielle Arbeitsrichtung des Projektes:

Klassische Philologie, antike Philosophie, Judaistik, Islamwissenschaften, antike, mittelalterliche, frühneuzeitliche und moderne Philosophiegeschichte, Theologie, Romanistik, Medizingeschichte, Ältere Deutsche Literatur.

Das Projekt ist geistesgeschichtlich in einem universellen Sinn. Aufgearbeitet werden soll eine bildungsgeschichtliche Tradition, ihre erkenntnistheoretischen Prämissen und ihre Konsequenzen für diemodernen Konzepte von Geisteswissenschaften und Ästhetik. Diese historischen Forschungen werden auch in einem systematischen Horizont betrachtet, in dem die Relevanz des erarbeiteten Gegenstandes für die gegenwärtige Debatte um die Aporien der Geisteswissenschaften und der Bildung aufgezeigt wird.