Ringvorlesung 2013
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18.04.2013 Dr.in Barbara Grubner (Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung) Einführung: Sexualität und feministische Wissenschaft Ursprünglich als wichtiger Brennpunkt der neu entstehenden „Körperpolitik“ der zweiten Frauenbewegung gefasst, wird die Kategorie Sexualität in der feministischen Theoriebildung bald zum umkämpften Terrain. Umstritten ist nicht nur, wie das Verhältnis von Sexualität und Gender zu denken ist, sondern schließlich auch, ob die feministische Theorie überhaupt über ein geeignetes Instrumentarium verfügt, Sexualität adäquat zu analysieren. Der Einführungsvortrag skizziert die unterschiedlichen Sichtweisen auf Sexualität als Grundlage für ein Nachdenken über das aktuelle Verhältnis von Sexualität und feministischer Wissenschaft.
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02.05.2013 Juana Remus (Rechtswissenschaften Berlin) Rechtliche Normierung von sexuellem Begehren Sexuelles Begehren wird im Recht konstruiert und reguliert und greift in unsere Vorstellungen von Begehren und damit verbundenen Lebensweisen ein. Recht regelt, welches Begehren und welche Lebensweise anerkannt sind, welche Veränderungen akzeptabel sind, welche nicht. Recht regelt aber auch indirekt, welche Begehren und Lebensweisen in Herrschaftsverhältnissen übergeordnet sind und privilegiert werden. Es wirkt auf diese Weise normierend und instrumentalisierend auf Individuen ein. Bei einer Analyse der Kategorie des Sexuellen Begehrens im Recht wird deutlich, dass bei der Verknüpfung von Heterosexismus mit anderen Herrschaftsverhältnissen eine enorme Unkenntnis regulativer Fähigkeit und der damit verbundenen Machtmechanismen besteht. Anhand von einzelnen Beispielen sollen die Verschränkungen der Kategorien deutlich gemacht werden, die Privilegien im Recht dargestellt und anschließend diskutiert werden, wie Menschen ohne rechtliche Normierung ihr sexuelles Begehren jenseits von heteronormativen Vorstellungen (aus)leben können.
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25.04.2013 Prof.in Dr.in Susanne Maurer (Erziehungswissenschaft) UnVerschämtes: (De-)Thematisierung von Sexualität in Frauenbewegungen um 1900 Frauenpaare, Ehereform, „freie Liebe“, die Auseinandersetzung um den $218 – auch in den Frauenbewegungen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts waren diese Themen präsent. Wie wurde „Sexualität“ in diesem Zusammenhang gedacht, adressiert, reflektiert – und gelebt? Der Vortrag wirft einige Schlaglichter auf frühe feministische Beiträge und zeigt die Schwierigkeit des Gebots der „Anständigkeit“ als Bedingung frauenbewegter Handlungsfähigkeit auf.
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23.05.2013 Veronika Ott (Soziologie) Ambivalente Positionierung: Feminismus, Sexarbeit und die Frage, was das alles mit Sexualität zu tun hat Was ist Prostitution? Das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen und das freie Ausleben sexueller Bedürfnisse, Herrschaft über und Unterwerfung von Frauen(körper), ein prekärer Arbeitsmarktzugang für Migrantinnen? In dem Vortrag werden Auseinandersetzungen und Deutungskämpfen um Prostitution aus einer feministischen und intersektionellen Perspektive nachgezeichnet. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, welche Vorstellungen von Sexualität (und von wessen Sexualität) diesen Diskussionen inhärent sind.
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06.06.2013 Denise Bergold-Caldwell (Erziehungswissenschaft) (Dis-) Kontinuitäten: "the white mans burden", Sexual Politics and the new racism Ausgehend von heutigen „Sexual Politics“ (Collins 2005) und deren Einfluss auf „gender and the new racism“ möchte ich aufzeigen wie die Darstellung und Exotisierung Schwarz-positionierter Menschen in der Öffentlichkeit wirkt und welche Subjektivierungsaspekte sich hier zeigen. Verbunden wird die heutige Fiktion, mit frühen kolonial-rassistischen Setzungen und Kontinuitäten, die sich unter dem Stichwort: „the white mans burden“ fassen und analysieren lassen und anhand derer auch Interdependenzen mit anderen Kategorien sozialer Ungleichheit dargestellt werden können.
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13.06.2013 Dr.in Gundula Ludwig (Politikwissenschaft, Wien) Staatstheorethische Perspektiven auf Sexualität Während der Kanon der Politikwissenschaft immer noch davon ausgeht, dass Körper, Sexualität, Begehren und Geschlecht als vorpolitisch und naturgegeben gelten, zeigt eine queer-feministische staatstheoretische Perspektive, dass Heteronormativität und Staatlichkeit in modernen, ‚westlichen’ Gesellschaften fundamental miteinander verwoben sind. In einem ersten Teil des Vortrags sollen zentrale Elemente eines queer-feministischen Staatsverständnisses skizziert werden, um sichtbar zu machen, wie zum einen Heteronormativität mittels staatlicher Macht regiert und normalisiert wird und wie zum anderen Heteronormativität in die Genese und Architektur moderner, westlicher Staatlichkeit eingeschrieben ist. Wie dieses Zusammenspiel von Heteronormativität und Staat – nicht zuletzt durch politische Kämpfe – historischen Wandlungsprozessen unterliegt, soll im zweiten Teil des Vortrags anhand einer Auseinandersetzung mit aktuellen sexuellen Politiken und deren Widersprüchlichkeiten diskutiert werden.
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20.06.2013 Márcia Moser (Religionswissenschaft) Die Ordnung der Körper. Religionswissenschaftliche Perspektiven auf Religion und Sexualität Dieser Vortrag widmet sich aus religionswissenschaftlicher Perspektive dem Verhältnis von Religion und Sexualität. Neben einer systematischen Darstellung der konstitutiven Bedeutung von Körper- und Sexualitätspolitiken für die Begründung individueller wie auch kollektiver religiöser Identitäten, wird auch der Forschungsstand in der Religionswissenschaft selbst beleuchtet. Hier zeigt sich, dass jüngere Ansätze der Gender Studies und Queer Theory 'Sexualität' zu theoretisieren bisher kaum berücksichtigt wurden.
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27.06.2013 Prof. Dr. Thomas Anz (Neuere Deutsche Literatur) Sexualität, Geschlecht und Literatur. Was Literaturwissenschaft immer noch von der Psychoanalyse lernen kann Wenn Literaturwissenschaft sich überhaupt mit Zusammenhängen zwischen Sexualität, Geschlecht und Literatur befasst, dann vorrangig mit literarischen Thematisierungen und durch Literatur im Austausch mit wissenschaftlichen Diskursen vermittelten Vorstellungen von Sexualität und Liebe. Untersuchungen zu literarischen Darstellungsmustern sexuellen Verhaltens gibt es hingegen kaum. Und noch seltener ist eine Anregung aufgegriffen worden, die Sigmund Freud in seinem Vortrag „Der Dichter und das Phantasieren“ gegeben hat und die in der Vorlesung aufgegriffen wird. Demnach sind alle literarischen Phantasien „eine Wunscherfüllung, eine Korrektur der unbefriedigenden Wirklichkeit.“ Die treibenden Wünsche, vorrangig ehrgeizige und erotische, „sind verschieden je nach Geschlecht, Charakter und Lebensverhältnissen der phantasierenden Persönlichkeit“.
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04.07.2013 Nina Schumacher (Europäische Ethnologie/Kulturwissenschaft) Porn Studies. Macht Herrschaft Sex(ualität)?! Längst ist die (wissenschaftliche) Beschäftigung mit Pornographie über die Dichotomie von „guten“ Frauen- und „schlechten“ Männerpornos hinausgewachsen. Mit den Porn Studies hat sich eine Disziplin etabliert, die sich eigens der Erforschung des Pornographischen widmet. Aber was wird hier überhaupt beforscht? Was verbirgt sich (heute) hinter dem Etikett „pornographisch“, wer hat die Deutungsmacht darüber und warum spricht es sich in der Öffentlichkeit über Pornos immer noch gefühlt besser mit gesenkter Stimme? Der Vortrag versucht diese Aspekte des Pornos zu umreißen und gibt Einblicke in das Feld der Pornographieforschung.