Ringvorlesung 2017
-
20.04.2017 Ilse Lenz (Soziologie, Ruhr-Universität Bochum) Vom neuen Antifeminismus zum Antigenderismus? Diskurse und Akteure Heute ist 'Gender' zum umstrittenen Terrain geworden. Für FeministInnen und Geschlechterforschung weist es auf die soziale Konstruktion von Geschlecht und damit auf die sozialen Ursachen von Ungleichheiten hin. Rechtspopulistische AntigenderistInnen sprechen pauschal von Gendergaga, Ideologie oder Unwissenschaftlichkeit und wollen Genderpolitik und Geschlechterforschung abschaffen. Wer steht dahinter und wie und warum wird gerade 'Gender' angegriffen?
-
27.04.2017 Susanne Maurer (Erziehungswissenschaft) 'Die Antifeministen' (1902) oder: Lest nach bei Hedwig (Dohm)! Der Vortrag erinnert an frühe Auseinandersetzungen um Antifeminismus, wie sie etwa in den Schriften der streitbaren Denkerin Hedwig Dohm, einer Pionierin des 'radikalen Flügels' der bürgerlichen Frauenbewegung im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, zu finden sind. Scharfsinnig und mit gehörigem Witz führt Hedwig Dohm die Argumente der "Antifeministen" vor - und zwar im doppelten Sinne des Wortes. Seltsam, wie vertraut die Argumente der Frauenemanzipationsgegner_innen aus vergangenen Jahrhunderten uns heute (noch) erscheinen ... Die Texte von Hedwig Dohm werden bezogen auf die historische Forschung zu Strömungen, Organisationen und Akteursgruppen des "Antifeminismus" um 1900.
-
04.05.2017 Ursula Birsl (Politikwissenschaft) Antifeminismus in der radikalen und extremen Rechten In der radikalen und extremen Rechten werden zwei große Bedrohungen für die „westliche Welt“ ausgemacht: „der“ Islam und der Feminismus. Der Antifeminismus in der Rechten ist nicht neu, jedoch wird er zunehmend aggressiver vorgetragen. Auch der Rechtsterrorist Anders Breivik, der am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordete, legitimierte sein Attentat u.a. mit der feministischen Bedrohung der europäischen Kultur. Welche Varianten des Antifeminismus in der radikalen und extremen Rechten zu finden sind und warum dieser eine so wichtige Bedeutung in den Ideologemen einnimmt, ist Gegenstand der Vorlesung.
-
11.05.2017 Regina Ammicht Quinn (Ethik, Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften, Tübingen) Hat Religion ein Geschlecht? Eine umstrittene Analysekategorie und ihre Auswirkungen Im christlich-religiösen Kontext, insbesondere in katholischen Kontexten, ist "Gender" ein Angst- und Schimpfwort. Warum aber ist dies so? Der Vortrag wird der Frage nachgehen, welche "Grammatik" der Geschlechter im Christentum historisch entworfen wurde, wie sie bis heute weiter wirkt und warum „Gender“ vor allem von den Vertretern der Institution mit großer Aufregung und einem guten Anteil an Dämonisierung diskutiert wird. Zugleich stellt diese breite und unordentliche christliche Gender-Geschichte Ressourcen zur Verfügung, die für heutige Debatten relevant gemacht werden können.
-
01.06.2017 Anna Lena Oldemeier (Erziehungswissenschaft) Besorgte Eltern und Co. – Diskurse um sexuelle Aufklärung und vermeintliche ‚Frühsexualisierung‘ Bereits seit 2013 stößt das Vorhaben, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in bundesdeutschen Lehrplänen zu verankern, immer wieder auf Widerstand. Politische Bündnisse wie die ‚Demo für alle‘ oder ‚Besorgte Eltern‘ positionieren sich gegen ‚Gender-Ideologie‘ und ‚Frühsexualisierung‘ im Schulunterricht, z.B. nach der Novellierung des hessischen Lehrplans für Sexualerziehung im Sommer 2016. Innerhalb des Vortrags sollen die Argumentationen der Gegner_innen genauer beleuchtet werden. Welchen Logiken folgt die Ablehnung der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als Bildungsziel? In welchem Zusammenhang steht sie mit aktuellen antifeministischen Diskursen?
-
08.06.2017 Marion Näser-Lather (Europäische Ethnologie) Gender Studies: Unwissenschaftlich, ideologisch, quasireligiös? Marginalisierungs- und Stigmatisierungsdiskurse in der Scientific Community Gender Studies werden von Kolleg*innen anderer Fachrichtungen zuweilen als unwissenschaftlich diffamiert und in ihrer Daseinsberechtigung hinterfragt. Anhand von Diskursbeispielen aus Publikationen des Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera, der Soziologin Gabriele Kuby und Aussagen anderer Wissenschaftler*innen wird skizziert, welche Argumentationsfiguren gegen das Fach in Anschlag gebracht werden und ob beziehungsweise welche Unterschiede diesbezüglich zwischen Natur- und Geisteswissenschaftler*innen bestehen.
-
22.06.2017 Denise Bergold-Caldwell & Barbara Grubner (Erziehungswissenschaft/Kultur- und Sozialanthropologie, plurivers.Netzwerk feministische Bildung und Pluralität, Wien) Ethnisierung der Geschlechterverhältnisse. Antifeminismus, Sexismus und Rassismus nach Köln Seit den jüngeren Fluchtbewegungen nach Europa und insbesondere seit den sexualisierten Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 ist eine Neuartikulation der Geschlechterverhältnisse in der gesellschaftspolitischen Debatte zu beobachten: Geschlechterungleichheit und Sexismus werden dabei immer stärker als Probleme „kulturell Anderer“ (besonders muslimischer Personen) gefasst und in einen Gegensatz zu europäisch-westlichen Selbstbeschreibungen der vermeintlich verwirklichten Geschlechtergleichheit und sexuellen Freiheit gebracht. Der Vortrag thematisiert die gesellschaftliche Spaltung, die hier entlang nationaler, ethnischer und kultureller Grenzsetzungen entsteht und deren neuralgische Punkte Geschlechter- und Sexualitätsvorstellungen sind. Er fragt danach, auf welche Weise in diesen Debatten eine neue Version der Verschränkung von Antifeminismus, Sexismus und Rassismus zum Ausdruck kommt und wie die Narrative von Sexualität, Geschlecht, Kultur und Freiheit darin verhandelt werden.
-
06.07.2017 Kathrin Ganz (Politikwissenschaft, Arbeitsgruppe Arbeit – Gender – Technik, Hamburg) Antifeminismus in digitalen Öffentlichkeiten Antifeminismus in digitalen Öffentlichkeiten ist ein virulentes Problem. Von antifeministischen Argumentationen über Hate-Speech bis hin zu organisiertem Cyberharassment nehmen netzbasierter Antifeminismus sowie das damit verwandte Gendertrolling verschiedene Erscheinungsformen an. Der Vortrag beschäftigt sich mit den spezifischen Dynamiken und Akteur_innen antifeministischer Kommunikation in digitalen Öffentlichkeiten, und fragt danach, wie unterschiedliche (netz-)politische Handlungsansätze und Gegenstrategien zu bewerten sind.