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Gerichtsverfahren gegen Jennifer W.

Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich am 26.01.2023 mit der Revision des Generalbundesanwalts gegen das Urteil des 8. Strafsenats des Oberlandesgerichts München (OLG München) gegen Jennifer W. Das Verfahren gegen Jennifer W. gilt als der erste Strafprozess, der die systematische Verfolgung der Jesid:innen durch den "IS" juristisch aufarbeitet.

Das OLG München hatte es als erwiesen angesehen, dass die aus Niedersachsen stammende Jennifer W. im Jahr 2014 nach Syrien ausreiste und sich dort dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) anschloss. Dort heiratete sie nach islamischem Recht Taha Al J. Gemeinsam mit diesem hielt die Angeklagte die Nebenklägerin Nora T. und deren 5-jährige Tochter in ihrem Haushalt als Sklavinnen. Die Nebenklägerin und ihre Tochter gehörten der ethnisch-religiösen Gruppe der Jesid:innen an, diese wurde vom „IS“ gezielt versklavt, verfolgt und getötet.

Im Sommer 2015 habe Jennifer W.s Ehemann die Tochter der Nebenklägerin zur Bestrafung im Innenhof des Hauses in der Mittagshitze angebunden, infolgedessen sei das Kind verstorben. Jennifer W. schritt nach der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht ein, obwohl sie die lebensbedrohliche Situation, in der sich das Kind befand, erkannt habe und ihr ein Einschreiten zum Tatzeitpunkt möglich gewesen wäre.

Das Gericht wertete zugunsten der Angeklagten, dass Jennifer W. nur begrenzt die Möglichkeit gehabt habe, die Versklavung der beiden zu beenden und dass diese erst spät erkannte, dass das Kind an der Bestrafung durch den Ehemann versterben könne. Jennifer W. wurde daher im Oktober 2021 unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen Beihilfe zum versuchten Mord durch Unterlassen und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Dafür erhielt die zu dem Zeitpunkt 31-jährige eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren. Der Generalbundesanwalt hatte eine lebenslange Haftstrafe für die Angeklagte gefordert und legte daher Revision gegen das Urteil ein. Laut Generalbundesanwalt hätte das OLG München in seinem Urteil nicht von einem minder schweren Fall der Versklavung ausgehen dürfen. Auch die Verteidigung der Angeklagten, welche auf eine zweijährige Freiheitsstrafe wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung im Ausland plädiert hatte, focht das Urteil des Gerichts an.

Im Rahmen einer Exkursion nach Karlsruhe konnte das Trial-Monitoring Projekt die Verhandlung vor dem 3. Strafsenat des BGH beobachten und dokumentieren. In der ca. zweistündigen Verhandlung machte der Vorsitzende Richter darauf aufmerksam, dass die Tatgerichte, in diesem Fall das OLG München, für die rechtliche Beurteilung der Tat zuständig seien und nicht der BGH, da dieser sich ausschließlich mit der Prüfung der Strafzumessung befasse. Ob das Urteil aufgehoben werde, sei davon abhängig, ob es mögliche Rechtsfehler enthalte, welche sich auf den Strafausspruch auswirken. Das Revisionsgesuch der Angeklagten war an diesem Tag nicht Gegenstand der Verhandlung.

Ein ausführlicher Bericht über den Prozesstag vom 26.01. folgt in Kürze.

Am 9. März verkündete der 3. Strafsenat des BGH sein Urteil, in dem er der Revision des Generalbundesanwalts stattgab und das Urteil des OLG München aufgrund von Rechtsfehlern weitgehend aufhob.

Beanstandet wurde, dass das OLG München in seinem Urteil einen minder schweren Fall des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge annahm, was sich nach dem Urteil des BGH als rechtsfehlerhaft erwies. Der BGH befand, dass das Münchner Gericht nicht alle strafschärfenden Umstände berücksichtigt habe. Insbesondere die menschenverachtenden Beweggründe und Ziele der Angeklagten Jennifer W. seien vom OLG München unberücksichtigt geblieben. Die Revision der Angeklagten, mit der ohne weitere Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wurde, hatte keinen Erfolg und wurde vom BGH als offensichtlich unbegründet verworfen.

Weitere Informationen entnehmen Sie der zugehörigen Pressemeldung des BGH.