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Schamanengewand der Sakha in Jakutien

Foto: Georg Dörr Signatur: Av 001

Klang des Schamanengewandes

Im Jahr 1961 erwarb die Kuratorin Käthe Neumann für die Religionskundliche Sammlung ein Schamanengewand der Sakha. Aus dem archivierten Briefverkehr geht hervor, dass es "für 4.000 DM mit 5% Rabatt" von den mit Kunst und Ethnografika handelnden Familien Kegel und Konietzko aus Hamburg angekauft wurde.

Im Juni 2020 gab die Religionskundliche Sammlung dieses Schamanengewand zur Restaurierung außer Haus. Dabei kam die Frage auf, was wir überhaupt über dieses reich mit Metallplatten verzierte Gewand aus inzwischen brüchigem Rentierleder wissen. Die Händler hatten angegeben, dass es Teil der „Sammlung Alexander“ ist und aus der Republik Sakha im nordöstlichen Sibirien stammen soll. Zum Zeitpunkt seiner letztmaligen rituellen Verwendung, vermutlich Mitte des 19. Jahrhunderts, war diese Region noch die russische Provinz Jakutien. Jakutinnen und Jakuten lebten vor dem 13. Jahrhundert größtenteils oberhalb des Lena-Flusses. Durch das Vordringen mongolischer Bevölkerungsgruppen verschob sich ihr Lebensraum allerdings flussabwärts, seitdem siedeln sie im mittleren Lenatal.

Ojun ist die indigene Selbstbezeichnung jakutischer Schamanen. Mit Ojun sind Personen gemeint, die durch eine Nahtoderfahrung gelernt haben, zwischen der sichtbaren Welt der Menschen und der nicht sichtbaren Welt der Götter, Ahnen und Geister hin und her zu reisen. Durch diese Fähigkeit sind sie in der Lage, einen Ausgleich zwischen den beiden Sphären herzustellen und dadurch auch zu heilen. Auch heute gibt es in der Republik Sakha noch als Heiler praktizierende Ojun, obwohl die Bevölkerungsmehrheit, die dem orthodoxen Christentum angehört, der Meinung ist, dass es den traditionellen Schamanismus nicht mehr gäbe.

Als das Gewand für den Transport zur Restaurierung durch Katharina Mackert (Bonn) vorbereitet wurde, stellten wir fest, dass das Rentierleder über die Jahre steif und trocken geworden war und es sich nur schwer von der scharfkantigen und mit rostigen Nägeln zusammengehaltenen hölzernen Figurine löste. Deshalb erhielt das grundlegend restaurierte Gewand eine neue Figurine, auf der es nun gleichmäßig und weich aufliegt. Seine ausgerissenen Stellen konnten wieder befestigt und die Nähte wieder zusammengefügt werden. Als das Gewand auf seiner neuen Figurine zurück in die Vitrine gestellt wurde, schlugen die Metallplatten und -stäbe aneinander. Es war ein Geräusch, das unmittelbar das Bild eines sich bewegenden Schamanen vor Augen rief. So entstand das Geräusch dieses hier ausgestellten Schamanengewandes. Der Ton ahmt das Geräusch nach, wie es erklingt, wenn ein Schamane durch ein Dorf läuft: Klang des Schamanengewandes.

Exponatinformationen:

Signatur: Av 001
Bezeichnung: Schamanengewand
Material: Rentierleder, Metall, Holz
Maße: H. 150 cm, B. 70 cm
Ort: Provinz Jakutien, Russland
Erwerb: Kauf von Kegel/Konietzko, Hamburg, im Oktober 1961 
Literatur: Bieker, Ulrike (2020): Das Gewand, der Elch, die Vögel, die Geister: Zur Performance eines Schamanen aus Sakha (Jakutien), in: Decker, Doris (Hg.) und Roth, Mirko (Hg.): Religionen in den Medien - Medien in den Religionen. Marburger Religionswissenschaft im Diskurs, Lit-Verlag: Berlin, Münster, S. 23 - 52.
Dokumentarfilm: Bei den Magar in Nepal: Michael Oppitz: (1980) Schamanen im blinden Land (https://vimeo.com/ondemand/schamanenimblindenland).
Bestandskatalog (2018): Material and spiritual culture of the peoples of Yakutia in the world museums. 17th - early 20th centuries, Bičik: Yakutsk. (Signatur in RW-Bereichsbibliothek: 552 87)