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Studieren im Ausland mit Behinderung

Einführung und Recherche

Es gibt vielfache Gründe und zahlreiche Motivationen, um während des Studiums im Ausland zu studieren. Neben der Gastuniversität, dem Land, der Sprache und den Menschen zeichnet sich jede Mobilität (Auslandsaufenthalt) durch sehr persönliche Erfahrungen aus. Dies gilt ebenso für Studierende mit einer Behinderung. Ein Auslandsaufenthalt kann sowohl akademisch als auch privat mit Behinderung eine große Bereicherung sein. Es gilt unterschiedliche Punkte zu berücksichtigen, von der Recherche und Bewerbung, über die Planung vor dem Aufenthalt, während des tatsächlichen Aufenthalts und später nach der Mobilität. Jedoch lohnt sich dieser Aufwand meist, trotz der existierenden Hürden. Mit einem hohen Eigenengagement, vorausschauender Planung und auch einem gewissen Maß an Frustrationstoleranz (z. B. aufgrund mangelnder Barrierefreiheit) gibt es durchaus Möglichkeiten Unterstützungsleistungen zu beantragen. Insgesamt gibt es eine große Menge an Informationen zu allen möglichen Fassetten der Mobilität, die in unterschiedlichster Weise aufbereitet sind. Es ist sehr ratsam die Infoveranstaltungen des eigenen Fachbereichs, des International Office (Im Folgenden: IO) und später der Gastuniversität etc. wahrzunehmen. Die hier vermittelten Informationen gelten für alle Studierenden gleichermaßen und sind somit zusätzlich zu diesem Leitfaden relevant.

Diese Webseite soll einige behinderungsspezifische Aspekte eines Auslandsaufenthalts beleuchten. Sie liefert einen Überblick und Hinweise zur Thematik „Mit Behinderung im Ausland studieren“.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, im Ausland zu studieren. Von einem klassischen Auslandssemester über ein Auslandspraktikum bis hin zu Kurzzeitmobilitäten, die Blended Intensive Programmes (BIP) bezeichnet werden, gibt es vielfache Angebote. Letzteres würde Mobilitäten mit einem Anteil vor Ort (fünf bis 30 Tage) und einem virtuellen Anteil digital umfassen.

Für eine erste Recherche bietet die folgende Website des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (Im Folgenden: DAAD) einen guten Überblick über einige Möglichkeiten. Studieren Weltweit des DAAD und das dazugehörige Magazin " Erlebe es!".

Insgesamt ist es vor der Entscheidung ratsam, viele Informationen über den Auslandsaufenthalt einzuholen. Die Websites des jeweiligen

IO, des eigenen Fachbereichs und möglicher Partneruniversitäten im Ausland können hierfür verwendet werden. Es gibt ein breites Angebot an Infoveranstaltungen des IO in Marburg, meist auch des eigenen Fachbereichs. Teilweise gibt es dabei zusätzlich die Möglichkeit mit ehemaligen Auslandsstudierenden (auch der eigenen Wunschuniversität) in Kontakt zu treten.

Überwiegend werden die Informationen für alle Studierenden aufbereitet und kein spezifischer Fokus auf die eigene Behinderung gelegt sein. Daher empfiehlt es sich, über den eigenen Mehrbedarf im Vergleich zu anderen Studierenden nachzudenken, der im Ausland entstehen könnte. Viele der Anträge und Förderungen sind am Ende die gleichen, wie für alle Studierenden ohne Behinderung (Förderung über das IO, Auslands BAföG etc.). Behinderungsspezifische Sonderförderung ist meist eine zusätzliche Unterstützung, die je nach Programm und Organisation unterschiedlich ausfällt und zusätzlich beantragt werden muss, da sie sehr individuell auf den eigenen Bedarf abgestimmt ist. Ein persönlicher Beratungstermin im IO kann bezüglich einer Sonderförderung vereinbart werden.

Nicht nur, um Bewerbungsfristen und Antragsfristen einzuhalten, sondern auch um genügend Zeit für die Vorbereitung der behinderungsspezifischen Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu haben, sollte ein Vorlauf von 12 bis 18 Monaten vor dem geplanten Auslandsaufenthalt berücksichtigt werden. Die behinderungsspezifische Antragstellung kann unter Umständen aufgrund von notwendigen Bescheiden und Belegen, die im Vorhinein benötigt werden, sehr lange dauern. Daher ist bereits für die Recherche ausreichend Zeit einzuplanen. 

Verschiedene Programme und Entscheidung

Es gibt unzählige Möglichkeiten, um einen Auslandsaufenthalt in das eigene Studium zu integrieren. Die Anerkennung  in Marburg am eigenen Fachbereich sollte jedoch im Vorhinein gut abgeklärt sein. Auch wenn der Bereich der Anerkennung erst nach Beendigung des Auslandsaufenthaltes wichtig wird, lassen Sie sich bitte unbedingt im Vorfeld ausführlich zu diesem Themengebiet beraten und achten Sie auch auf mögliche Fallstricke. Sollen beispielsweise bestimmte Module aus dem Ausland für das Studium in Marburg anerkannt werden, sollte dies vorher recherchiert und abgestimmt werden. Ebenso ist die Integrationsfähigkeit in den Studienverlauf zu prüfen. In manchen Studiengängen gibt es ein Zeitfenster, in welches sich ein Auslandsaufenthalt besonders gut einfügen lässt. Je nach Zeitpunkt kann ein Auslandsaufenthalt ebenso das eigene Studium verlängern. Grundsätzlich kommt es auf den Einzelfall an.

Das Vorgehen und die Finanzierungen für verschiedene Programme sind jeweils unterschiedlich. Dies gilt ebenfalls für eine mögliche Sonderförderung (inklusive ihres Umfangs) bezüglich einer Behinderung. Teilweise ist eine Förderung integriert, teilweise bietet es sich an, sich extern z. B. auf ein  Promos Stipendium zu bewerben.

Manche Programme erfordern ein höheres Maß an Eigenorganisation, da bestimmte Vereinbarungen und Rahmendaten nicht bereits über einen allgemeinen Vertrag mit der Universität Marburg festgelegt sind. Dies ermöglicht im Umkehrschluss beispielsweise aber eine flexiblere Auswahl der Wunschuniversität, da diese nicht an Verträge des Fachbereichs gebunden ist. Im Fall von Erasmus hat jeder Fachbereich in Marburg eigene Verträge zu entsprechenden Fachbereichen in bestimmten Gastländern. Somit werden z. B. Dauer und teilweise die Art der zu belegenden Module über das gemeinsame Studienfach auf diese Weise festgelegt. Eine Bewerbung über den eigenen Fachbereich ist in diesem Beispiel daher nur an bestimmten Universitäten im Ausland möglich, die mit dem eigenen Fachbereich verbunden sind. Insgesamt ist es unerlässlich, gut über die Abläufe des eigenen Programms auch bezüglich der Anerkennung, Rahmendaten und Integration ins eigene Studium informiert zu sein.

Programme

Im Folgenden finden Sie eine nicht abschließende Aufzählung von verfügbaren Programmen

  • Erasmus+ (europäischsches Ausland)
  • Erasmus+ (weltweit)
  • Partneruniversitäten (weltweit)
  • Programme des Landes Hessen
  • Freemover
  • International Student Exchange Program (ISEP)

Im Bewerbungsprozess ist es möglich, sich gleichzeitig auf verschiedene Programme zu bewerben, falls dies gewünscht wird. Der Bewerbungsprozess fällt für die Programme unterschiedlich aus. Für eine Bewerbung über Erasmus läuft dieser Prozess bspw. über den eigenen Fachbereich in Marburg und ist an die Verträge dieses gebunden (u. a. Dauer des Aufenthalts, mögliche ausländische Partneruniversitäten etc.). Von Anfang an wird die Mobilität zentral über die Plattform Mobility Online verwaltet. Hier werden digital relevante, persönliche Daten und Dokumente für den eigenen Fachbereich und das IO in Marburg hinterlegt. Zu Beginn betrifft das die Bewerbung, später weitere Schritte z. B. bezüglich des learning agreements (LA). Weitere Informationen zur Verwendung werden durch den Fachbereich oder das IO zur entsprechenden Zeit vermittelt. Mobility Online leitet insgesamt durch den Prozess anhand der einzelnen Abschnitte der Mobilität. Es empfiehlt sich, regelmäßig den Workflow in Mobility Online einzusehen und ggf. zu bearbeiten, falls erforderlich. Derzeit ist diese Plattform allerdings nicht vollständig barrierefrei nutzbar. Eine Nutzung mit Assistenz wird angeraten.

Ansprechpartner*innen / Anlaufstellen in Marburg

International Office (IO): allgemein und spezifisch zur Behinderung

Fachbereichsbeauftragte für Mobilitäten

Behinderungsspezifische Antragsverfahren

Behinderungsspezifische Finanzierungsanträge basieren meist auf der Grundidee des Mehrbedarfs. Da das Erasmusprogramm eine der umfangreisten Förderungen für Studierende mit einer Behinderung beinhaltet, die darüber hinaus integriert in die Förderung des DAAD ist, wird hier spezifischer darauf eingegangen und beispielhaft die behinderungsspezifische Antragstellung erläutert. Im Fall von Erasmus gibt es zwei Möglichkeiten finanzielle Unterstützungsleistungen aufgrund der Behinderung zusätzlich zu beantragen. Dies betrifft Studierende und Graduierte mit einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung (nachgewiesen durch beispielsweise einen Schwerbehindertenausweis, Bescheid des Versorgungsamtes oder ein ärztliches Attest), aus der ein finanzieller Mehrbedarf im Ausland hervorgeht und die von ihrer Heimathochschule eine Zusage für ein Erasmus+ gefördertes Auslandsstudium oder -praktikum erhalten haben. Einerseits gibt es die Möglichkeit für einen pauschalen monatlichen Zuschuss. Dabei handelt es sich um einen Aufstockungsbetrag von 250 € monatlich, unabhängig vom Gastland. Die notwendigen Belege sind frühzeitig beim IO einzureichen. Das IO kann bei der Beantragung beim DAAD unterstützen, die Auszahlung erfolgt zusätzlich zur grundsätzlichen Förderung des IO, die alle Studierenden individuell erhalten. Andererseits gibt es den sog. Langantrag, der eine umfangreiche Sonderförderung umfasst. Dieser Antrag muss dem DAAD zwei Monate vor Beginn der Mobilität vorliegen. Auch hier empfiehlt es sich, frühzeitig mit der Antragstellung anzufangen und zu planen, da der Antrag vor der Einreichung über das IO in Marburg geprüft und anschließend weitergereicht wird. Dieser Prozess der Prüfung fällt nicht in die zwei Monate, somit sollte ein ausreichender Zeitraum mit dem IO vereinbart werden.

Der Langantrag beinhaltet alle behinderungsspezifischen Mehrkosten, d. h. die aufgrund der Behinderung im Ausland entstehen werden. Gefördert werden können nur vorher eingereichte Kosten, die durch keinen Kostenträger in Deutschland übernommen werden. Einerseits werden daher Kostenvoranschläge (z. B. für ein Mobilitätstraining) der entsprechenden ausländischen Institution, sowie ein Ablehnungsbescheid des normalerweise zuständigen Kostenträgers in Deutschland benötigt. Der Langantrag ist in verschiedene thematische Kapitel gegliedert und kann so schrittweise zusammengestellt werden. Grundsätzlich sollte zunächst der eigene Mehrbedarf betrachtet werden. Da im Nachhinein keine weiteren Kosten gedeckt werden können, sollte der Langantrag möglichst allumfassend, großzügig geplant (dennoch realistisch) und ausführlich sein. Nach der Mobilität gibt es eine Art Endabrechnung, für welche tatsächliche Kostenbelege verlangt werden. Diese Kostenbelege, Rechnungen und Quittungen sind unbedingt während des eigentlichen Aufenthalts für die Endabrechnung mit dem DAAD zusammenzutragen und aufzubewahren. Dieser finale Antrag nennt sich Realkostenantrag und muss dem DAAD ebenfalls zwei Monate nach der Mobilität vorliegen. Hierzu wird der Realkostenantrag genauso zunächst beim IO eingereicht und anschließend weitergereicht. Die Kalkulationen für den Langantrag werden in einer Excel-Tabelle, die durch das IO bereitgestellt wird, aufgelistet. Die Bescheide bzw. Belege werden zusätzlich eingereicht.  Darüber hinaus muss verpflichtend ein formloser Erfahrungsbericht verfasst werden. Dieser kann bei eigenem Einverständnis der Datenschutzerklärung des DAAD auf der Website veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung ist allerdings freiwillig.

Insgesamt können aktuell maximal 15.000 € pro Semester und 30.000 € pro Auslandsjahr durch den Realkostenantrag gefördert werden. Die Auszahlung geschieht gemeinsam mit der üblichen Förderung von Erasmus, die alle Studierenden erhalten würden. Sie beruht ebenfalls auf dem 2/3 vorher und 1/3 nachher Prinzip, wonach die Unterstützungsleistung in Raten pro Semester ausgezahlt wird. Genauere Informationen zur Antragstellung sind auf der Website des DAAD zu finden. Außerdem kann das IO spezifisch zu dieser Antragstellung beraten und beim Prozess persönlich unterstützen. Diese persönliche Kontaktaufnahme mit dem IO ist stark zu empfehlen, wenn eine behinderungsspezifische Antragstellung im Raum steht. So können Fragen direkter geklärt werden und eine optimal angepasste Förderung geplant werden.

Behinderungsspezifische Hinweise und Leitfragen

Grundsätzlich ist der Mehrbedarf, der durch die eigene Behinderung entsteht, sehr individuell. Daher sind im Folgenden zur ersten Orientierung ein paar Hinweise und Leitfragen zusammengefasst, die nicht zwangsläufig alle erfüllt werden müssen. Der Hauptfokus liegt hier auf Sehbehinderung und Blindheit. Die Fragen dienen eher einer Leitlinie und der Anregung.

Ein guter Startpunkt für die Organisation der Unterstützungsleistungen im Gastland kann die aktuelle Studiensituation sein. Dabei gilt es sowohl die universitären Gegebenheiten als auch private Aspekte in Betracht zu ziehen. Es empfiehlt sich von Anfang an mit Ansprechpartner*innen sowohl im Heimatland als auch im Gastland ausreichend zu kommunizieren und in Kontakt zu bleiben.

 Konkrete Leitfragen / Mögliche Hinweise

  • Nachteilsausgleich für Studienleistungen an der Gastuniversität?
  • Studienangebot des Disability Departments?
    • Eine persönliche Kontaktaufnahme ist frühzeitig vor dem Aufenthalt sinnvoll. GGf. Telefonat / Webkonferenz anstelle von E-Mail, um detailreichere Absprachen treffen zu können.
  • Barrierefreiheit und Erfahrungen der Universität im Gastland mit der eigenen Behinderung?
    • Oftmals eine Frage an den Behinderungsbeauftragten der Gastuniversität. Jegliche Fragen dieser Art können vor einem Gespräch zusammengefasst hilfreich sein, auch bzgl. Einer möglichen Vernetzung mit Institutionen oder Studierenden im Gastland.
  • Mobilität? Zuständigkeiten von Mobilitätstraining?
    • Frühzeitige Kontaktaufnahme und konkrete Organisation. Zuständigkeiten recherchieren. Behinderungsbeauftragter der Gastuniversität hat vielleicht informative Hinweise.
  • Notwendigkeit akademischer Assistenzen? Erwarteter Umfang?
    • Eine erste großzügige Schätzung ist sinnvoll. Gibt es Agenturen im Gastland? Worüber kann die Rekrutierung funktionieren? Mögliche Frage an Behinderungsbeauftragten der Universität.
  • Wohnsituation (auf dem Campus möglich)? Besteht Mehrbedarf (z. B. Induktionsherd, barrierefreie Haushaltsgeräte etc.)?
    • Frühzeitiger Mailkontakt wird empfohlen, z. B. Nachfrage wegen Härtefall bzgl. Eines Wohnheimplatzes.
  • Unterstützung des täglichen Lebens erforderlich? Assistenz (z. B. Einkaufen etc.)?
  • Funktionalität der eigenen Hilfsmittel? Zusätzlicher Ersatz erforderlich?
    • Vorausschauende Planung und ggf. Beantragung (z. B. Ersatzrollspitze für den Blindenlangstock? Technisches Equipment? Markierungspunkte? Ausstattung der Gastuniversität?). Mögliche Frage an den Behinderungsbeauftragten.
  • Übersetztes Blindengutachten erforderlich? Möglichkeit zur kostenlosen Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs (Antragstellung erforderlich)?
    • Mögliche Frage an Mobilitätstrainer*in oder Behinderungsbeauftragten der Gastuniversität vor Ort.
  • Zeitpunkt der Anreise? Ist eine frühere Eingewöhnung sinnvoll?
    • Angebot der Gastuniversität? Eigene Erfahrung und Zutrauen bzw. Organisation.
  • Organisation der Eingewöhnung? Assistenz erforderlich?
    • Möglichkeit der Begleitung abklären. Organisation von Assistenz.
  • Medizinische Versorgung?
    • Frühzeitige Recherche. Vernetzung.

Fazit und Kontakt

Abschließend gibt es bei einer Mobilität viele Aspekte, die zusätzlich mit einer Behinderung berücksichtigt werden müssen. Die Planung ist umfangreich, teilweise recht bürokratisch und an einigen Stellen nicht barrierearm. Trotzdem gibt es Studierende mit unterschiedlichen Behinderungen, die diesen Prozess erfolgreich durchlaufen haben, bei welchen im Nachhinein die positiven Erfahrungen deutlich überwogen haben. Diese Zusammenstellung hat eine Studierende mit Behinderung nach erfolgreich durchlaufenem Auslandsaufenthalt verfasst.

Bei Überlegungen oder Fragen zu einem Auslandsaufenthalt kontaktieren Sie gerne die SBS bzw. das International Office der Philipps-Universität Marburg.

Gerne können Sie uns im Anschluss von den Erfahrungen Ihres Auslandsaufenthaltes berichten.