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Laufende Projekte

  • Prof. Dr. Benedikt Stuchtey

    Im linken Bildvordergrund ist eine Frau im hellen Kleid zu sehen, die ihre Arme einem Kind in der Bildmitte einladend entgegenstreckt. Im Hintergrund beobachten zwei Männer die Szene, während rechts eine dunkel bekleidete Frau ein Kleinkind schützend im Arm hält.
    Waldmüller, Die Adoption (1849)
    Ferdinand Georg Waldmüller, Die Adoption (1849) Muzeum Narodowe Wroclaw.

    Das Buchprojekt Die Geschichte der Adoption im 19. und 20. Jahrhundert verfolgt das Ziel, ihre sozialgeschichtlichen Aspekte im Licht einer erweiterten Kindheits- und Familiengeschichte zu betrachten. Die Adoption ist ein Spiegel des sich verändernden Familienbildes in den westlichen Gesellschaften und in der Form der Auslandsadoption ist sie überdies Teil der Globalisierung. Welche unterschiedlichen rechtlichen Entwicklungen gab es, welche gesellschaftspolitischen und parlamentarischen Debatten? Welche institutionellen Rahmenbedingungen entwickelten sich, wie kristallisierte sich eine Professionalisierung des Adoptionsprozesses heraus? Wann und unter welchen politischen Umständen wurde die Adoption ein gesellschaftlich relevantes Thema, wie nahm die Familienpolitik sich ihrer an, und wie gestaltete sich ein Wettbewerb unter den kirchlichen und staatlichen Fürsorgeeinrichtungen, wer die Kontrolle über den Pflege- und Adoptionsprozess ausüben solle? Welche Rolle spielten die emotionalen Aspekte und die Frage der Geheimhaltung der Adoption? So wie es verschiedene Familienbilder gab, so konkurrierten auch verschiedene soziale und kulturelle Modelle der Adoption miteinander, wenn es um nationale Traditionen und transnationale Einflüsse ging.

    Das Forschungsprojekt soll u.a. die Spannungsfelder zwischen privaten und staatlichen Interessengruppen und die Professionalisierung und Institutionalisierung der Adoption ausloten, ebenso die Standardisierung des Adoptionsverfahrens als Teilaspekt der Familien- und Kindheitsgeschichte nachzeichnen. Es wird dabei eine Vielfalt von Problemen berühren, die zur Sozialgeschichte des Kindes, der abgebenden Eltern und der Adoptiveltern sowie der kirchlichen und staatlichen Vermittlungsämter gehören. Fragen wie die nach der Identität des Adoptivkindes, der Normalisierung von Adoptivelternschaft und die Erwartungshaltung an die Familie als Keimzelle der Gesellschaft werden gestellt. Der intime Binnenraum der unmittelbar Betroffenen wird dadurch erweitert um denjenigen der aktiv Beteiligten: der Rechtsgeber, Sozialarbeiter, Adoptionsvermittlungsstellen, der Wohlfahrtspflege im allgemeinen u.v.m. Das Projekt wird eine globalgeschichtliche Perspektive einnehmen und Aspekte der europäischen in Bezug zu Beispielen der nicht-europäischen Kindheits- und Familiengeschichte setzen.

    English Version: Solidarity With Children? Towards a History of Adoption. (German Historical Institute Bulletin, Vol. XXXV, No. 2, Nov. 2013, 43-56.)
  • Prof. Dr. Ulrich Sieg

    Die "Konservative Revolution" und die Macht hermetischer Rhetorik

    Zu ihrem eigenen Schaden hat die Forschung lange Zeit um das Syntagma „Konservative Revolution“, dem man begriffliche Unschärfe und innere Widersprüchlichkeit attestierte, einen Bogen geschlagen. Doch gerade die schillernde Vieldeutigkeit der Wortverknüpfung trug entscheidend zu ihrer Resonanz bei. Sie erleichterte den Anhängern unterschiedlicher Lager, auf dieselben Fahnenworte zu schwören und stiftete innere Einheit. Fragen der Form waren für „Konservative Revolutionäre“ auch Fragen des Sinns und selten ohne metaphysische Dimension, gerade weil nihilistische Ideen in der Weimarer Kultur hohe Präsenz besaßen. Gleichzeitig schützte die hermetische Rhetorik der einschlägigen Texte vor kritischen Einwürfen. Angesicht der Härte der ideologischen Auseinandersetzungen war dies eine Conditio sine qua non für den politischen Erfolg. Die gewählte Sprache intensivierte die Bindung an eine desillusionierte Bevölkerung und täuschte zugleich eine intellektuelle Modernität vor, die angesichts eines machtvollen Zukunftsdiskurses ratsam, ja geboten erschien. Nicht zufällig knüpfen Vertreter der radikalen Rechten jüngst verstärkt an Ideen der „Konservativen Revolution“ an. Deren gezielte „Selbstverrätselung“ zu dechiffrieren ist deshalb nicht nur wissenschaftlich reizvoll, sondern auch politisch wichtig. Der Weg dahin wird über Analyse der die angewandten rhetorischen Strategien und die intensive Betrachtung der zeitgenössischen Rezeption gehen.

    Seit 2020 wird das Projekt durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine Dauer von drei Jahren gefördert.

  • Dr. Andrea Wiegeshoff

    Globale Epidemien, expandierende Imperien und eine einsame Insel. Eine Geschichte seuchenpolitischen Handelns im British Empire im 19. Jahrhundert

     Das Habilitationsprojekt untersucht den Umgang mit Bedrohungen durch Epidemien im britischen Empire im 19. Jahrhundert. Es fragt nach Deutungsmustern, Ordnungsvorstellungen und Praktiken „seuchenpolitischen“ Handelns. Vor dem Hintergrund wachsender inter- und transnationaler Verflechtungen werden Epidemien dabei als grenzüberschreitende, ja globale Phänomene in den Mittelpunkt gerückt. Erkenntnisleitend sind die Fragen nach der zeitgenössischen Einordnung der Krankheiten als Folge zunehmender Interdependenz und nach den daraus resultierenden Praktiken. Die Inselkolonie Mauritius im Indischen Ozean dient als analytischer und narrativer Ankerpunkt der Untersuchung. Als Ort globalgeschichtlicher Verdichtung und Drehkreuz intra- und transimperialen Austauschs war die Insel hochgradig anfällig für Epidemien und wurde immer wieder Schauplatz kontroverser seuchenpolitischer Debatten und Interventionen, die in ihren lokalen Bedingungen, imperialen Zusammenhängen und interimperialen Bezügen analysiert werden.

  • SFB/TRR 138 Teilprojekt C08 "Sicherheit und Empire"

    Das Teilprojekt untersucht den Zusammenhang zwischen Transformationen imperialer und kolonialer Ordnungen und Prozessen der Versicherheitlichung in der Geschichte des British Empire im langen 19. Jahrhundert. Wahrnehmungen von und der Umgang mit Unsicherheiten waren Grundelemente dieser Geschichte. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Bedeutung intra- und transimperialer Wechselwirkungen am Beispiel der anglo-französischen Karibik mit Jamaika und Saint-Domingue sowie der US-amerikanischen Einflusszone im Pazifik und Britisch-Indien gelegt. Fragen nach Vorstellungen von und dem Umgang mit (Un-)Sicherheit erlauben es somit, Funktionsmechanismen imperialer Ordnungen sowie stabilisierende und zentrifugale Kräfte aus neuer Perspektive zu untersuchen und so zum tieferen Verständnis der Ausgestaltung und Transformation von Herrschaft in kolonialen Räumen des British Empire beizutragen.

    Zur genaueren Beschreibung des Teilprojektes:
    2. Förderphase, 2018-2021: https://www.uni-marburg.de/de/sfb138/forschung/teilprojekt-c08-2-foerderphase
    3. Förderphase, 2022-2025: https://www.uni-marburg.de/de/sfb138/forschung/c08-2014-sicherheit-und-empire

  • Kompetenznetzwerk "Postcolonial Hierarchies in Peace & Conflict“

    Das Netzwerk untersucht, wie sich historisch geronnene postkoloniale Hierarchien in zeitgenössischen Konfliktdynamiken niederschlagen und welche Implikationen sich daraus für eine zukünftige nachhaltige Konflikttransformation ergeben. Es bringt dabei historische Perspektiven auf – insbesondere kolonial geprägte – Entstehungskontexte von Konflikten mit postkolonialen Forschungsperspektiven und Methoden und Theorien der Friedens- und Konfliktforschung zusammen.

    https://www.uni-marburg.de/de/konfliktforschung/forschung/projekte/laufende-forschungsprojekte/postcolonial

  • Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb (MECAM)

    The "Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb" (MECAM), founded in 2020, is a platform for regional and international scientific exchange in Tunisia based on the central theme "Imagining Futures - Dealing with Disparity". The centre is located at the renowned Université de Tunis in the Tunisian capital. Its research work focuses on the effects of multidimensional disparity on models, visions and ideas about future.

    Besides the University of Marburg, the partners of the MECAM consortium in Germany include the University of Leipzig, the GIGA - German Institute of Global and Area Studies in Hamburg and the Forum Transregional Studies in Berlin. In addition to the Université de Tunis, the regional partners are the University of Sfax and the Institut Tunisien des Études Stratégiques (ITES) in Tunisia, as well as other partners from Morocco and Lebanon.

    https://www.uni-marburg.de/de/cnms/forschung/mecam

  • Dr. Alex Lamprou

    World War II and population displacement: Greece refugees in the Middle East and Africa (1941-1946)

    Funded by the Gerda Henkel Foundation (Special Programme Forced Migration, Grant No. AZ 09/FM/22), the research project explores the trajectory of war displacement between Europe and the colonial geography of the Middle East and Africa through the case study of c. 80.000 Greek refugees during World War II. Moving beyond the frame of the nation state, the aim of the research is to integrate the European experience of displacement into the colonial geography of displacement and internment in the Middle East and Africa, but also to relate the study of WWII displacement between Europe, the Middle East and Africa to the wider history of humanitarianism. The aim of the research is to relate Europe to a colonial and trans-imperial space, and explore the continuum of displacement and its management between the Middle East, Africa and Europe during and after World War II.

    Coming from the lower classes of a country in the margins of Europe, Greek refugees moved through and were obliged to negotiate their position in a diverse trans-imperial geography frequently unsettling colonial, ethnic and gender hierarchies. The transnational character of their movement interrelates disparate geographies, practices and mentalities, and strands of literature. The research explores the colonial entanglements of Greek wartime displacement and the place of war refugees in the geopolitical projects of the Greek state to establish settler colonies in the Middle East. A second question interrogates the place refugees occupied and negotiated, and their representation within the socio-political hierarchies of the colonies. It looks at the (re)negotiation of colonial hierarchies brought about by the unexpected meeting of refugees from the margins of Europe with colonized locals and west European colonizers. In this respect, the project studies the impact of displacement on the negotiation of refugee sexuality in diverse colonial contexts. Based on the study of ego-documents (diaries, memoirs and petitions) the project explores the negotiation of colonial hierarchies and gender relations between the displaced, international humanitarian agencies, European settlers, colonial and nation state authorities, and the colonized natives.
    The research is based on extensive archival research and draws on several perspectives and fields of knowledge: refugee studies, the history of forced migration, displacement and humanitarianism, microhistory, transnational and (post)colonial studies. In broadening the perspective of displacement between colonial geographies and Europe during and after World War II, aim of the project is to connect strands of scholarship that do not usually relate to each other: the history of displacement during World War II, (post)colonial history and recent theoretical insights into the colonial entanglements of countries with no colonies.

    One of the results of the project is a three-day workshop to be held in Berlin, July 8-10, 2025. Hosted by EUME and Center March Bloch the workshop “Diasporas, Exiles, Migrants, and Refugees from Europe in the Middle East and North Africa in the 19th and 20th Centuries” is organized by Alexandros Lamprou (Research Fellow, Philipps-Universität Marburg), Esther Möller (Centre March Bloch), Rim Naguib (EUME Fellow of the Gerda Henkel Foundation 2024/25), and Georges Khalil (Forum Transregionale Studien / EUME).