26.11.2025 Tiefe Trauer um Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann
Nachruf
In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserer geschätzten Kollegin und langjährigen Mitarbeiterin
Frau Prof. Dr. Ursula Spuler-Stegemann, geb. 7. Juni 1939, gest. 22. November 2025
Frau Spuler-Stegemann wurde in Mannheim geboren und studierte Islamkunde, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Religionswissenschaft an den Universitäten Heidelberg, Hamburg, München, Bonn sowie in Los Angeles und in der Türkei. Ihre Promotion schloss sie 1967 an der Universität Bonn mit einer literarhistorischen Studie über "Das türkische Drama der Gegenwart" ab.
Nach Jahren der Tätigkeit als Regierungsrätin im Bundeskanzleramt und zuletzt als Regierungsdirektorin wechselte sie zurück in die Wissenschaft, die sie nie ganz verlassen hatte. Sie war von 1977-1980 Mitarbeiterin in einem DFG-Projekt „Religiöse Minderheiten im Islam“ und wurde ab 1976 an der Philipps-Universität Marburg Lehrbeauftragte für Türkisch, zunächst am damaligen Fachbereich für Außereuropäische Sprachen und Kulturen und insgesamt 30 Jahre lang. Ab 1982 lehrte sie zudem als Dozentin für Religionsgeschichte am Fachbereich Evangelische Theologie, wo sie 1995 Honorarprofessorin wurde. Nach Gründung des Centrums für Nah- und Mitteloststudien (CNMS) 2007 betreute sie die dort vakante Professur für Islamwissenschaft und trug durch ihre packenden Themen und ihre warmherzige und zugewandte Art sehr schnell zur Akzeptanz des Zentrums auch bei den Studierenden bei. Auch später blieb sie dem CNMS stets verbunden. Seit 2007 hat sie bis zu ihrem 75. Lebensjahr außerdem regelmäßig Lehrveranstaltungen in der Religionswissenschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie angeboten. Sie hat in ihrer Lehre, mit ihren Vorträgen und mit ihrer engagierten und nahbaren Art viele Generationen von Studierenden und Doktorandinnen und Doktoranden inspiriert und auf ihrem wissenschaftlichen Werdegang begleitet und war eine geschätzte Gesprächspartnerin in verschiedenen fachlichen Kontexten. Ihre Vorlesungen und Seminare prägten Generationen von Studierenden.
Frau Spuler-Stegemann war eine herausragende Wissenschaftlerin, deren Arbeiten maßgeblich zur Weiterentwicklung der Islamwissenschaft und des interreligiösen Dialogs beitrugen. Ihre Arbeiten waren interdisziplinär anschlussfähig und haben sowohl die Religionsgeschichte als auch die Religionswissenschaft geprägt. Ihre Forschungsschwerpunkte lagen auf dem Islam in der Gegenwart, islamischen Gruppierungen in der Türkei, dem Sufismus sowie dem Alevitentum. In den letzten Jahren hat sie sich nicht nur mit islambezogenen Themen, sondern sich mit großer Begeisterung auch dem Thema Religion und Tiere befasst.
Sie erreichte mit ihren vielfältigen Publikationen eine enorme Reichweite. In dem mittlerweile als Standardwerk etablierten hervorragend recherchiertem Buch Muslime in Deutschland (Herder 1998, Neuaufl. 2011) würdigte sie die Vielfalt des Islams in Deutschland, machte Organisationsstrukturen transparent, diskutierte Fragen des interreligiösen Dialogs und behandelte praktische Probleme und ihre Bewältigung, Medien, Erziehung und vieles mehr; aber auch weniger angenehme Aspekte wie Extremismus, Tendenzen zur Parallelgesellschaft und mangelnde Transparenz islamischer Verbände fanden Berücksichtigung. Sie forderte positive Gegenmodelle einer multireligiösen Erziehung und eine schulische Staatskunde, die Schülerinnen und Schülern gleich welcher Herkunft ein positives Bild unserer freien Gesellschaft vermitteln soll.
Ihre vielfältigen Netzwerke zu christlichen, jüdischen und muslimischen Gemeinden stellte sie in den Dienst des ihr am Herzen liegenden interreligiösen Dialogs. Aufgrund ihrer umfassenden Fachkenntnisse und Forschungsergebnisse war sie eine gefragte Beraterin für verschiedenste politische und religiöse Institutionen. Mit ihrer gutachterlichen Tätigkeit hat sie sich zudem intensiv mit der alevitischen Gemeinschaft in Hessen befasst, so dass diese schließlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde und an hessischen Schulen seitdem alevitischer Religionsunterricht erteilt werden kann. Ihre fachliche Expertise hat Frau Spuler-Stegemann auch in die Belange von Ausstellungen und Publikationen der Religionskundlichen Sammlung eingebracht und war stets eine aufmerksame, kluge und differenzierte Ratgeberin.
Aber auch jenseits von Wissenschaft und Politik brachte sich Frau Spuler-Stegemann in die Gesellschaft ein: So war sie Mitglied in der Kammer für Mission und Ökumene der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und im Hessischen Integrationsbeirat der Landesregierung; und sowohl der Förderverein Parkinson-Wohnheim als auch der Marburger Tierschutzverein konnten auf ihre aktive Mitwirkung und Unterstützung zählen.
Den Kolleginnen und Kollegen am CNMS, am Fachbereich Evangelische Theologie sowie in der Religionskundlichen Sammlung und der Religionswissenschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie war Professorin Ursula Spuler-Stegemann mit ihrer Liebenswürdigkeit und Großzügigkeit, ihrem aufbauenden, auch kritischen und stets ermutigenden Wesen eine kollegiale und hilfsbereite Ansprechpartnerin, eine geschätzte Kollegin und verehrte Doktormutter. Wir gedenken ihrer als herausragender Wissenschaftlerin, engagierter Dozentin und geschätzter Kollegin. Ihr mutiger, kluger und kritischer Geist wird uns fehlen.
Dr. Leslie Tramontini und Prof. Dr. Bianca Devos für das Centrum für Nah- und Mitteloststudien
Prof. Dr. Edith Franke, für die Religionskundliche Sammlung und die Religionswissenschaft am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie
Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler, für das Fachgebiet Religionsgeschichte und den Fachbereich Evangelische Theologie