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Lebende Artefakte und religiöse Vorstellungen aus dem Amazonasgebiet: Ist das Museum der richtige Ort?

Dr. Michael Kraus

Paulina Rinne
Prof. Dr. Mark Münzel zeigte bei "Religion am Mittwoch" am 7. Dezember 2016 zur Einführung zwei Jaguarfigur der Kamayurá aus Brasilien.

Zum letzten Mal für das Jahr 2016 versammelten sich am 7. Dezember zahlreiche ZuhörerInnen, um dem Vortrag von Dr. Michael Kraus aus Göttingen zu lauschen. Er warf die Frage auf: „Lebende Artefakte und religiöse Vorstellungen aus dem Amazonasgebiet: Ist das Museum der richtige Ort?“. Zuvor stimmte Prof. em. Mark Münzel das Publikum durch einen spannenden Bericht aus seinen eigenen Feldforschungen auf das Thema ein, in dessen Zentrum die Geschichte(n) hinter einer Jaguarfigur aus Brasilien standen.
 
Im Anschluss berichtete Dr. Kraus über die Schöpfungsmythen der Tukano im Amazonasgebiet. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Vorstellung, dass die verschiedenen Ethnien im Innern einer mythischen Anakonda über einen Fluss reisten und dann an Land gingen. Objekten wie beispielsweise Zigarrenhaltern, Kalebassen, dem traditionellen Großraumhaus oder Sitzschemeln kommt in diesen Mythen eine zentrale, oft symbolisch aufgeladene Rolle zu. Sie sind derart wichtig, dass sie teilweise als „lebendige Personen“ betrachtet werden, denen eine positive wie auch negative Wirkmächtigkeit zugesprochen wird. Doch wie soll mit diesen „Personen“ umgegangen werden, wenn sie beispielsweise in einem ethnologischen Museum gelagert, erforscht und ausgestellt werden? Diese Frage rückte für den Vortragenden besonders in den Mittelpunkt, als indigene BesucherInnen aus dem Amazonasgebiet im Rahmen eines Workshops im ethnologischen Museum Berlin zu Gast waren. Hier wurden die unterschiedlichen Grundhaltungen der ProtagonistInnen – TeilhaberInnen der betreffenden Kulturen auf der einen Seite sowie westliche ForscherInnen auf der anderen Seite – deutlich. Dr. Kraus verwies darauf, dass es auch innerhalb der indigenen Kulturen verschiedene theologische Haltungen zu der Frage gibt, ob es sich bei den in Europa ausgestellten Objekten durch ihre Dekontextualisierung nun um tote Dinge oder um „schlafende Personen“ handelt, die etwa durch den Besuch „aufgeweckt“ und rituell angemessen behandelt werden müssen. Eine konkrete Lösung, so wurde deutlich, kann – wenn überhaupt – dann immer nur für den Einzelfall gefunden werden.

Beim anschließenden Ausklang des Abends im Foyer erhielten alle ZuhörerInnen noch genügend Gelegenheit, die spannenden Verbindungen von südamerikanischen Schöpfungsmythen, ethnologischer Forschung und Museumsarbeit weiter zu diskutieren.

Paulina Rinne und Alisha Meininghaus

Paulina Rinne
Am 7. Dezember 2016 sprach Dr. Michael Kraus (Göttingen) über "Lebende Artefakte und religiöse Vorstellungen aus dem Amazonasgebiet: Ist das Museum der richtige Ort?"