Hauptinhalt

Forschungsschwerpunkte

o   Soziologische Theorie und Sozialphilosophie

o   Gewalt und (Bürger-)Krieg

o   Post-anthropozentrische Soziologie und Anthropozän

o   Historische Soziologie

o   Ideengeschichte/Ideen- und Intellektuellensoziologie

o   Moderne-Theorien

Habilitationsprojekt

Habilitationsprojekt: Eine ökologische Theorie des Krieges

Eine ökologische Theorie des Krieges reagiert einerseits auf eine theoretische Leerstelle, andererseits auf veränderte Wirklichkeiten. Theoretisch zeichnet sich ab, dass soziologische Theorie auch nach dem letzten großen Paradigmenwechsel, der sich mit der Etablierung post-anthropozentrische Theorien im Kontext der Diskussionen um das Anthropozän vollzogen hat, Gefahr läuft, die Themen Krieg und Gewalt zu vernachlässigen. Dies ist umso verwunderlicher, als diese Theorien Modernisierungsvorstellungen gerade nicht teilen, die – so die gängige soziologiegeschichtliche Erklärung – zu einer Verdrängung von Gewalt in der Disziplin führten. Aber auch die Phänomene der Wirklichkeit drängen die Soziologie dazu, andere Perspektiven auf Gewalt und Krieg einzunehmen: Angriffe auf Energieinfrastruktur und Nahrungsversorgung, der Einsatz von maroden Tankern, die mit der Verschmutzung von Küsten und Meeren drohen, die Besetzung von Atomkraftwerken, die Verbreitung von Desinformationen – all dies legt nahe, bei der theoretischen Betrachtung von Kriegen Räume, Stoffwechselprozesse und mehr-als-menschliche Akteure zu berücksichtigen. Ziel des Habilitationsprojektes ist es nicht zuletzt, einen anderen Blick auf das Phänomen Krieg zu gewinnen, indem er als ein ökologisches Geschehen, also ein Vorgang der Veränderung von Umwelten, verstanden wird. Auf die zunehmend in Europa zu beobachtende hybride Kriegsführung reagiert das Forschungsprojekt also mit einer ökologischen Theorie des Krieges.

Das Projekt besitzt einen theoretischen sowie einen historisch-soziologischen Schwerpunkt. Zunächst sollen in einer Art Bergungsversuch theoretische Elemente gesichert werden, mit denen Krieg jenseits der modernen Kultur-Natur-Dichotomie erfasst werden kann. Behandelt werden dabei Foucaults Konzeption der Biopolitik und post-anthropozentrische Theorien (z. B. Latour, Braidotti, Mbembe), aber auch weniger beachtete Ansätze wie die Dromologie (Virilio), die energetische Soziologie (Ostwald, Bataille) und Spuren eines posthumanen Denkens bei Kriegstheoretikern (Vauban, Clausewitz, Jünger). Der historisch-soziologische Teil der Arbeit besteht in einer Reihe von Fallstudien zu mehr-als-menschlichen Akteuren des Kriegs. Thematisch werden dabei etwa Räume (z. B. der Graben oder das Meer), Stoffe (z. B. Metalle, Nahrung oder fossile Energieträger), Tiere (z. B. Pferde und Wale) und Artefakte (z. B. Bunker, Schusswaffen, Eisenbahn oder die Gasmaske). Dabei soll der Fokus auf die historischen Brüche und Zäsuren gelegt werden, die mit dem Auftauchen und Verschwinden bzw. dem Bedeutungsverlust für die Kriegsführung dieser Akteure einhergehen. Anschließend werden diese Überlegungen zu einer ökologischen Theorie des Krieges zusammengeführt. Krieg erscheint aus einer solchen Perspektive als Vorgang, bei dem Praktiken des Unbelebbar-Machens von Räumen auf solche des Belebbar-Haltens treffen. Abschließend wird diese Perspektive genutzt, um eine alternative Analyse jener Handlungen, die als hybride Kriegsführung bezeichnet werden, zu geben.