07.07.2021 Carla del Ponte über die Situation in Syrien, den Reformstau der UN und Slobodan Miloševic

Buch, Waage und Richterhammer symbolisieren Utensilien des Gerichtsalltags
Foto: Colourbox.de / Jan Pietrieszka

Carla del Ponte über die Situation in Syrien, den Reformstau der UN und Slobodan Miloševic

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau berichtet die schweizerische Juristin und Diplomatin Carla del Ponte anlässlich des Erscheinens ihres neuen Buches „Ich bin keine Heldin. Mein langer Kampf für Gerechtigkeit“ über die Situation in Syrien, den Reformstau der UN und Slobodan Miloševic. Während ihres beruflichen Werdeganges bekleidete Del Ponte eine Vielzahl einflussreicher Positionen. Zu diesen gehörten unter anderem das Amt der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für die Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien sowie für den Völkermord in Ruanda. Außerdem war sie von 2008 bis 2011 Botschafterin der Schweiz in Argentinien. Bis 2017 arbeitete sie in einer UN-Kommission, die Menschenrechtsverletzungen im syrischen Bürgerkrieg untersucht.

Del Ponte hat laut eigener Aussage nur wenig Hoffnung darauf, dass der syrische Präsident Assad und andere Akteur:innen dieses Krieges für ihre Verbrechen in absehbarer Zeit zur Rechenschaft gezogen werden. Als Ursache für die Untätigkeit gegenüber dieser Personengruppe führt sie mehrfach den nicht vorhandenen politischen Willen der internationalen Gemeinschaft für eine entsprechende Strafverfolgung ins Feld. Insbesondere Russland mache in diesem Kontext von seinem Vetorecht vor dem UN-Sicherheitsrat Gebrauch. Doch auch die USA seien trotz entgegenstehender Aussagen bislang untätig geblieben.

Carla del Ponte war bis 2017 UNO-Sonderberichterstatterin für Syrien. Mit ihrem Austritt aus der Untersuchungskommission habe sie ein Zeichen des Protests gesetzt, welches entgegen ihrer Hoffnungen trotz weltweiter Berichterstattung nichts bewirkt habe.

Die Bemühungen der deutschen Strafverfolgungsbehörden bezüglich der in Syrien begangenen Kriegsverbrechen lobt Del Ponte, obwohl es sich bei den angeklagten Personen um „relativ kleine Nummern“ handele. Ihrer Meinung nach müsse man insbesondere die „Drahtzieher“ strafrechtlich zur Verantwortung ziehen. 
Um Kriegsverbrechen besser ahnden zu können, bedürfe es einer Reformierung des UN-Sicherheitsrates. Eine solche scheitere laut Del Ponte aber am Vetorecht der mächtigsten Staaten, die eine Änderung strikt ablehnen.

Trotz der Reformschwierigkeiten sei die UNO laut Del Ponte sehr wichtig. Als Verdienst der UNO sieht sie vor allem deren humanitäre Hilfe an, sie bedauert allerdings auch deren heutige Schwäche. Sie sieht es als erstrebenswert an, dass die UNO „im Bereich Friedensförderung und Friedenssicherung“ an Einfluss gewinnt.

Während ihrer Tätigkeit als Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien traf Del Ponte unter anderem auf den ehemaligen serbischen Präsidenten und gesuchten Kriegsverbrecher Slobodan Miloševic. Sie beschreibt diesen als „stolz, überheblich, respektlos und zurückweisend“, als jemanden, der immer noch als Präsident aufgetreten sei. Ferner sei Miloševic intelligent gewesen und habe sich vor Gericht selbst verteidigt, wodurch er laut Del Ponte seine politischen Botschaften habe verkünden können. Insbesondere hob Del Ponte seine Fähigkeit hervor, Belastungszeugen zu befragen und diese durch die Ausübung von Druck teilweise zum Zurückziehen ihrer Aussagen zu bewegen.

Bevor es in dieser Sache zu einem Urteil kam, verstarb Miloševic. Die vielfachen Meinungen darüber, dass Miloševic seinen Tod selbst herbeigeführt haben könnte, teilt Del Ponte nicht. Ihrer Ansicht nach habe der damals Angeklagte den Prozess und die damit einhergehende weltweite Aufmerksamkeit genossen. Über sein Ableben sei sie dennoch sehr wütend gewesen, da er so nie für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden sei.

Das vollständige Interview mit Carla del Ponte finden Sie hier.