21.01.2019 IStGH - Freispruch für Gbagbo und Blé Goudé

Jüngste Entwicklungen im Verfahren des Internationalen Strafgerichtshofes gegen Gbagbo und Blé Goudé

Das aus Effizienz- und Zügigkeitsgründen zusammengelegte Verfahren gegen den früheren Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, und seinen früheren Jugendminister Charles Blé Goudé begann am 28.01.2016. Gbagbo ist der erste ehemalige Staatschef, der sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten muss.

Nach der Präsidentschaftswahl in der Elfenbeinküste Ende 2010 kam es zu blutigen Unruhen. Gbagbo weigerte sich, die Niederlage anzuerkennen, gleichzeitig erklärte sich sein Herausforderer Ouattara zum Staatschef. Im Zusammenhang mit daraufhin ausgebrochenen gewalttätigen Ausschreitungen zwischen beiden Lagern kamen mindestens 3000 Menschen ums Leben. Gegenstand des Prozesses sind Verbrechen, die zwischen dem 16.12.2010 und dem 12.04.2011 in diesem Kontext begangen wurden. Gbagbo wird in 4 Anklagepunkten die Verantwortlichkeit für Verbrechen gegen die Menschlichkeit gem. Art. 7 IStGH-Statut vorgeworfen. Konkret soll er an zahlreichen Fällen von vorsätzlicher Tötung, Vergewaltigung und anderen unmenschlichen Handlungen oder – hilfsweise – versuchter vorsätzlicher Tötung und Verfolgung beteiligt gewesen sein. Die Taten soll er sowohl zusammen mit Mitgliedern aus seinem inneren Zirkel als auch durch Pro-Gbagbo-Kräfte – hilfsweise – durch Anordnung, Aufforderung oder Anstiftung oder – hilfsweise – auf sonstige Weise zur Begehung der Verbrechen beitragend begangen haben. Auch Blé Goudé wird eine strafrechtlich relevante Verwicklung in die Verbrechen zur Last gelegt; ihm wird Anordnung, Aufforderung oder Anstiftung oder – hilfsweise – Beihilfe vorgeworfen. Die hier aufgeführten Begehungsweisen werden in Art. 25 Abs. 3 IStGH-Statut konkretisiert.

Der Internationale Strafgerichtshof hat nun am 15.01.2019 in einer 2:1-Mehrheitsentscheidung Laurent Gbagbo von allen Anklagepunkten freigesprochen. Ebenso wurde der mitangeklagte Charles Blé Goudé freigesprochen.

Die Anklagebehörde habe es versäumt, Ausreichende Beweise („sufficient evidence“) vorzulegen, um die Verantwortlichkeit von Gbagbo und Blé Goudé für die konkreten Fälle nachzuweisen. Das Gericht kam zu dem Entschluss, es sei der Anklagebehörde nicht gelungen, mehrere konstitutive Elemente der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu demonstrieren. Insbesondere die Existenz eines mutmaßlichen „common plan“ (gemeinsamen Ziels/Plans), Gbagbo unter anderem durch Begehung von Verbrechen gegen Zivilisten an der Macht zu halten; die Existenz einer mutmaßlichen Politik, Zivilisten zu attackieren (womit auf den notwendigen funktionalen Gesamtkontext eines Angriffs gegen die Zivilbevölkerung abgestellt wird); die Existenz von Verhaltensweisen, aus denen eine solche Politik gefolgert werden könnte; Wissen und Wollen der Angeklagten im Hinblick auf einen Beitrag zur Begehung der Taten sowie die Möglichkeit, deren Reden könnten Anordnung, Aufforderung oder Anstiftung darstellen, seien nicht ausreichend nachgewiesen worden. Die Überprüfung durch das Gericht könne daher nur zu einem Freispruch führen. Die Anklagebehörde hat gleichwohl das Recht diese Entscheidung anzugreifen und eine Revisionsverhandlung („appeal“) zu erwirken, nachdem die noch auszuarbeitende schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.

Am darauffolgenden Tag, dem 16.01.2019, hat das Gericht zudem die Freilassung von Gbagbo und Blé Goudé beschlossen, da sich keinerlei außergewöhnliche Umstände haben finden lassen, die dieser entgegenstünden. Auch diese Entscheidung kann von der Anklagebehörde – diesmal allerdings unmittelbar – angegriffen werden. Dies hat die Anklagebehörde auch unmittelbar unternommen und Revision gegen die Freilassungsentscheidung nach Art. 81 Abs. 3 (c)(ii) IStGH-Statut eingelegt, begründet mit dem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, namentlich des konkreten Risikos, die Angeklagten würden nach einer Freilassung nicht mehr zu einer gegebenenfalls anstehenden Revisionsverhandlung erscheinen. Ebenso begehrte die Anklagebehörde eine aufschiebende Wirkung der Freilassungsentscheidung. Diesem Begehren kam die „Appeals Chamber“ (Revisionskammer) am 18.01.2019 nach. Sie ordnete eine Anhörung für den 01.02.2019 an, in der alle Prozessbeteiligten weitere Stellungnahmen abgeben sollen. Bis dahin jedenfalls verbleiben Gbagbo und Blé Goudé in Haft. Inzwischen haben beide Parteien weitere Schriftsätze eingereicht. Eine Entscheidung der „Appeals Chamber“ im Hinblick auf die Freilassung darf für den 01.02.2019 erwartet werden.

Ferner bleibt abzuwarten, ob auch gegen die noch nicht vorliegende schriftliche Begründung des Freispruchs Revision eingelegt werden wird. Die Anklagebehörde hat bereits die sorgfältige Überprüfung der Urteilsbegründung angekündigt. Auch die Ermittlungen in der Elfenbeinküste werde man weiterführen.

 

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