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Grenzen und Grenzüberschreitungen militärischer Gewalt

Die Aufnahme zeigt die erste internationale Friedenskonferenz in Den Haag im Jahr 1899.
Foto: Public domain via Wikimedia Commons
Die Aufnahme zeigt die erste internationale Friedenskonferenz in Den Haag im Jahr 1899.

Der Einsatz militärischer Gewalt ist durch die Spannung zwischen dem Möglichen und Notwendigen gekennzeichnet. Das nukleare Waffenarsenal, die (Selbst-)Steuerung unbemannter Drohnen, Cyberangriffe, humanitäre Interventionen, der War on Terror, Folter von Gefangenen – diese verschiedenen Themen werfen die Fragen auf, wo die Grenze zwischen dem militärisch Möglichen und Notwendigen gezogen werden soll und wann diese überschritten ist. Welche militärischen Möglichkeiten realisiert werden, hängt nicht nur an strategischen, taktischen und operativen Überlegungen, sondern wird auch durch das humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht festgelegt.

Sie bestimmen den Schutz von Nicht-Kombattanten und auch den Umgang mit Kombattanten und bieten gemeinsam mit den Menschenrechten einen Maßstab dafür zu beurteilen, was militärisch notwendig ist. Gleichzeitig beruht das Völkerrecht über positiv rechtliche Kodifikationen auf Gewohnheitsrecht. Die Responsibility to Protect (R2P) zählt zu den neueren Überlegungen normativen Erwartens im völkerrechtlichen Kontext, ohne dass dieses Prinzip bisher tatsächlich verrechtlicht wurde. Trotzdem hat dieses Prinzip eine Rechtfertigungsfunktion beispielsweise für den Einsatz militärischer Gewalt in Libyen ausgeübt.  

Das heutige humanitäre Völkerrecht und das Völkerstrafrecht entstanden mit der Zäsur des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Vereinten Nationen. Der Holocaust, die Verbrechen der Wehrmacht, der Einsatz von ABC-Waffen und die massenhafte Mobilisierung der Bevölkerungen haben zu einer Ausweitung des Krieges geführt, der scheinbar keine Grenzen mehr kannte. Allerdings kodifizierten die europäischen Staaten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Kriegsvölkerrecht. Während der Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 verhandelten westliche Staaten u.a. die Haager Landkriegsordnung und schufen schon 1864 mit der ersten Genfer Konvention einen Schutz für Verwundete sowie für ihre Versorgung durch das Internationale Komitee des Roten Kreuz. Der während des US-amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) geschaffene Lieber-Code regulierte das Verhalten der US-Soldaten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein und wurde in verschiedene völkervertragliche Einigung miteinbezogen. Das kodifizierte Kriegsvölkerrecht beruhte auf naturrechtlichen Vorstellungen, die aus ethisch-moralischen Überlegungen über Ehre und Tapferkeit und theologisch-christlichen Geboten entstanden. Auch die Theorie der Kriegführung findet vor allem seit Carl von Clausewitz (1780-1831) 1832 posthum veröffentlichtes Werk „Vom Kriege“ Eingang in die Frage nach militärischer Notwendigkeit im Gewand strategischen und taktischen Erfolgs. In der Erfahrung des Unabhängigkeitskrieges der Niederländer gegen die Spanier (1568-1648) erarbeitete Hugo Grotius (1583-1645) das klassische Völkerrecht und diskutierte vor diesem Hintergrund das bellum iustum im Hinblick darauf, ob Zivilisten im Krieg getötet werden dürfen. Der Ausdruck des bellum iustum reicht noch weiter in der Geschichte zurück und entstammt dem Werk des Bischofs Augustinus von Hippo (354-430). Die Grenzen militärischer Gewalt und die Wahrnehmung ihrer Überschreitung beruht auf ethisch-moralischen sowie theologisch-christlichen Vorstellungen und entwickelt sich von dort aus zum Kriegsvölkerrecht und zum humanitären Völkerrecht. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden auf dieser Grundlage erstmals Strafverfahren statt – die Nürnberger Prozesse. Am Ende der 1990er entstand das Römische Statut und mit diesem völkerrechtlichen Vertrag das Völkerstrafrecht.

Dieser kontinuierlichen Transformation rechtlich gezogener Grenzen und ihren Überschreitungen durch militärische Gewalt widmet sich der Arbeitsschwerpunkt.