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Zur Geschichte der Reliquienverehrung –
Reliquienkult bis heute

Bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten war es Brauch, über den Gräbern der Märtyrer Altäre und Kirchen zu errichten. Die Einsenkung einer Heiligenreliquie in den Altar wurde obligatorisch und so entwickelte sich auch ein größerer Bedarf an Reliquien. Die hohe Nachfrage förderte einen regen Handel im Mittelalter, wobei oftmals auch gefälschte Gegenstände in Umlauf kamen.

Mit der Aufteilung von Reliquien konnte die Heiligenverehrung auch kanalisiert werden. Durch den Erwerb von Reliquien berühmter Heiliger für Kirchen hoben die Feudalherrscher ihr Ansehen beim Volk und festigten ihren Herrschaftsanspruch. Bedeutsame Reliquien zogen zahlreiche Pilger an, die vor Ort um die Unterstützung des Heiligen bitten wollten. 

Teilweise wurden auch ganze Skelette, kostbar mit Goldfäden geschmückt, in den Kirchen präsentiert. Seit der Zeit der Reformation und des sich ausbreitenden Protestantismus im 16. Jahrhundert sowie des Humanismus ist ein starker Rückgang dieser ausgeprägten Reliquienverehrung zu verzeichnen. Im katholischen Glauben hat sie demgegenüber bis heute Bestand.

Reliquienschrein zur Aufbewahrung der Gebeine der Heiligen Elisabeth in der Elisabethkirche in Marburg.
© Foto: Bildarchiv - Foto Marburg, Horst Fenchel
Reliquienschrein, verschiedene Materialien (Eichenholz, Kupferblech, Edelstein, Gold), Mitte 13. Jahrhundert, Aufbewahrungsort: Elisabethkirche, Marburg.

Reliquienschrein, Mitte 13. Jahrhundert, verschiedene Materialien: Eichenholz, Kupferblech, Edelstein, vergoldet, Standort: Elisabethkirche, Marburg

Für viele Gläubige haben Reliquien noch heute eine starke Aura. Einige Städte verdanken ihre Bedeutung wertvollen Reliquien, die im Mittelalter in ihren Besitz kamen, wie etwa Santiago de Compostela (Gebeine des Heiligen Jakob) oder Köln (Gebeine der Heiligen drei Könige). Viele Kirchen dienen auch heute noch als Aufbewahrungs- und Anbetungsorte. Beispiele aus der Region sind der Dom zu Fulda (Grab des Heiligen Bonifazius), sowie der Marburger Elisabethschrein in der Elisabethkirche.

Auch heute noch findet man moderne Formen eines säkularisierten Reliquienkults, bei dem die Verehrung von sogenannten sekundären Reliquien im Zentrum steht. Viele Prominente betreiben einen regelrechten Handel mit von ihnen benutzen Gegenständen, was sich bei den Fans großer Beliebtheit erfreut.

  • Unterscheidung von Reliquien

    Primäre Reliquien:
    Bei diesen Reliquien handelt es sich um den Leichnam der heiligen Person oder einzelne Körperteile. Dazu zählen zum Beispiel das Herz der Teresa von Avila oder die Blutreliquien von Papst Johannes Paul II. Bei Heiligen, die verbrannt wurden, gilt die Asche als Reliquie.

    Sekundäre Reliquien:
    Als sekundäre Reliquien gelten Gegenstände, die der Heilige berührt hat. Aus diesem Grund werden sie auch Berührungsreliquien genannt. Neben dem Turiner Grabtuch fallen in diese Kategorie auch die Werkzeuge, mit denen Heilige während ihres Martyriums gefoltert wurden.

    Tertiäre Reliquien:
    Diese Gegenstände sind mit primären Reliquien in Berührung gekommen und werden als Reliquien dritter Klasse eingestuft. Dabei handelte es sich im Mittelalter zumeist um Öl, welches über Reliquien erster oder zweiter Ordnung gegossen wurde, oder Schmuck, welcher eine zeitlang direkten Kontakt zu den Relikten der Heiligen gehabt hatte. Tertiärreliquien aus jüngerer Zeit, etwa ab dem 18. Jahrhundert, sind kleine Papier- oder Stoffquadrate, die kurz auf die eigentliche Reliquie gelegt und dann auf Heiligenbildchen geklebt wurden.