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Sexualität übersetzen. Eine vergleichende Untersuchung zur Lokalisierung internationaler Standards zur Sexualerziehung in schulischen Bildungskontexten

Sara Kolah Ghoutschi

Dieses Projekt untersucht, wie internationale Ansätze und Regulierungen für umfassende Sexualaufklärung (Comprehensive Sexuality Education, CSE) in nationalen Kontexten lokalisiert und übersetzt werden und welche unterschiedlichen Schauplätze (sites) der Übersetzung es gibt, in denen Akteure diesen Normen einen Sinn geben. Ausgehend von der Annahme, dass CSE ein global umstrittenes Konzept ist, untersuchen wir die Dynamiken der Normübersetzung in Bezug auf diesen curriculumbasierten Ansatz als einen der wichtigsten Aspekte der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte.

Über einen global-lokalen Rahmen hinausgehend, bauen wir unsere Forschung auf interaktive Ansätze der Normenforschung auf. Indem wir verschiedene Theorien wie Normenübersetzung und -anfechtung und Vernakularisierung miteinander verbinden und in Dialog bringen, betrachten wir Normenübersetzungsprozesse als fortlaufend und multidirektional und heben so die Komplexität und Vielfalt der beteiligten Akteur*innen, Strukturen und gesellschaftlichen Dynamiken hervor. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf den Prozessen, die in die alltäglichen sites der Übersetzung eingebettet sind und innerhalb derer unterschiedliche Strukturen und Machtdynamiken zusammenwirken.

Anhand der Fallstudien zur Sexualaufklärung im äthiopischen und kenianischen Kontext und auf Basis eines empirischen Ansatzes wollen wir ein breiteres und umfassenderes Verständnis von Übersetzungsprozessen insbesondere für umstrittene internationale Normen und Standards entwickeln. Wir stützen unsere Forschung auf Übersetzungsprozesse im Bereich der Sexualerziehung bei der Aushandlung von Lehrplänen und den dazugehörigen Regelungen und Bestimmungen, wobei wir verschiedene Handlungsräume wie (internationale) Workshops, Trainings, religiöse Räume, Gesundheitseinrichtungen und schulbezogene Orte untersuchen. Unser Untersuchungsspektrum umfasst Regierungsbeamt*innen, Stakeholder, schulbezogene Akteur*innen, religiöse, religionsbasierte und zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter*innen von internationalen Organisationen. Unsere Forschung basiert auf empirischen Daten, die während mehrerer Feldforschungsphasen (2019-2020) erhobenen wurden. Dabei wurden problemzentrierte und narrative Interviews geführt und durch Fokusgruppendiskussionen und teilnehmende Beobachtung ergänzt.

Unsere Arbeit zielt darauf ab, alltägliche Praktiken rund um internationale Normen zu beleuchten, in denen Akteur*innen Normen fortlaufend übersetzen und anfechten während sie diese auf einer alltäglichen Basis gestalten und verhandeln oder mit anderen Worten das Curriculum und dessen Inhalte vernakularisieren. Damit wollen wir zur Schließung einer Forschungslücke beitragen und die Konzeptualisierung von sites, Akteuren und Normen erweitern, um ihrer Heterogenität besser Rechnung zu tragen.

Projektzeitraum: 2018-2021
Förderung: Fritz Thyssen Stiftung
Projektleiter: Prof. Dr. Thorsten Bonacker
Team: Alina de Luna Aldape, Sara Kolah Ghoutschi