21.10.2025 Neue Studie zu Palästina-Solidaritätsprotesten veröffentlicht
Marburger Konfliktforscher liefern zentrale empirische Erkenntnisse

Wer demonstriert in Deutschland für Palästina – und warum? Eine neue, interdisziplinär erarbeitete Studie bietet erstmals belastbare Daten zur Zusammensetzung, Motivation und politischen Haltung der Teilnehmenden des bislang größten Palästina-Solidaritätsprotests in Deutschland. Mitbeteiligt an der Untersuchung sind zwei Wissenschaftler des Zentrums für Konfliktforschung (ZfK) der Philipps-Universität Marburg: Prof. Dr. Felix Anderl und Dr. Tareq Sydiq.
Das nun erschienene Working Paper des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) analysiert den Berliner Doppelprotest „All Eyes on Gaza / Zusammen für Gaza“ vom 27. September 2025, an dem zwischen 60.000 und 100.000 Personen teilnahmen. Die Studie basiert auf einem standardisierten, bewährten Erhebungsverfahren aus der Protestforschung und liefert erstmals eine fundierte empirische Grundlage für die Debatte um Palästina-Solidarität in Deutschland.
Die Ergebnisse zeigen: Die Teilnehmenden waren überwiegend jung, hoch gebildet und politisch links verortet. Ihr Protest war deutlich bürgerlich-zivilgesellschaftlich geprägt und konzentrierte sich auf gewaltfreie, legale und kommunikative Ausdrucksformen. Auffällig war eine differenzierte politische Haltung: Während eine klare Unterstützung für die Anerkennung eines palästinensischen Staates bestand, wurde gleichzeitig ein besonderer Schutz jüdischen Lebens in Deutschland befürwortet. Viele der Befragten berichteten zudem von Erfahrungen mit Ausgrenzung, Überwachung oder staatlicher Repression.
„Gerade vor dem Hintergrund einer stark polarisierten öffentlichen Debatte sehen wir die Notwendigkeit, empirisch fundierte Einblicke in die Protestdynamiken zu geben“, so Prof. Dr. Felix Anderl vom Zentrum für Konfliktforschung. Dr. Tareq Sydiq ergänzt: „Unsere Forschung zeigt, dass einfache Lagerlogiken dem komplexen Meinungsbild der Protestierenden nicht gerecht werden.“
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Freien Universität Berlin (INTERACT) und des DeZIM-Instituts durchgeführt. Insgesamt wurden über 1.000 Personen vor Ort angesprochen; etwa 30 Prozent beteiligten sich anschließend an einer detaillierten Online-Befragung.
Bereits vor Veröffentlichung sorgten die Ergebnisse für breite mediale Resonanz. So berichteten unter anderem DER SPIEGEL, Frankfurter Rundschau und radioeins über die Studie und betonten ihren Beitrag zur Versachlichung der hitzigen gesellschaftlichen Diskussion rund um Palästina-Solidarität in Deutschland:
"Wer in Deutschland gegen den Gazakrieg demonstriert" | Der Spiegel (17.10.2025)
"Zehntausende bei Großdemonstration in Berlin"| Radioeins (29.09.2025)
Die Untersuchung liefert nicht nur wichtige Erkenntnisse für die aktuelle politische Diskussion, sondern ist auch ein wichtiger Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Protestforschung in Deutschland – insbesondere mit Blick auf postmigrantische Gesellschaften und innergesellschaftliche Konfliktlinien.
Kontakt
Prof. Dr. Felix Anderl, Dr. Tareq Sydiq