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Religion als Motor der Bewegung im Reformationszeitalter

Religion hatte die Menschen schon im Mittelalter in Gestalt von Pilgerreisen und Kreuzzügen in Bewegung versetzt. Die Reformation und die Auseinandersetzungen um den rechten Glauben sollten in der Frühen Neuzeit der religiös motivierten Bewegung im Raum neue und verstärkte Dynamik verleihen. Die 1527 als protestantische Hochschule ins Leben gerufene Philippina wirkte so als Anziehungspunkt oder als Zufluchtsort auf Glaubensverwandte. Spiegel dieser Entwicklung ist die Matrikel, denn bei der Aufnahme eines Studiums in Marburg schrieben sich die Studierenden ein bzw. sie wurden in die Matrikel eingeschrieben. Damit gehörten sie zur Universität, was bis weit in das 19. Jahrhundert auch ihren rechtlichen Status bestimmte. Die Marburger Matrikel ist bis auf eine Lücke in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Kriegs überliefert und bis 1935 in Buchform geführt worden. Damals erfolgte die Umstellung auf Karteikarten, heute wird sie in elektronischer Form geführt. Damit ist sie eine der wichtigsten Quellen für die Universitätsgeschichte. In den ersten Jahrzehnten erfolgte die Eintragung der Namen und des Herkunftsortes oder –landes durch den Rektor, die Blätter der Bände bestehen aus Pergament und sie sind schön eingebunden. Die Marburger Matrikel ist allerdings im Vergleich zu den Exemplaren anderer Universitäten vergleichsweise schlicht gehalten.

Patrick Hamilton

Eintragung des Patrick Hamilton aus Linlithgow und seiner schottischen Begleiter in der Marburger Matrikel für das Jahr 1527. UniA MR 305m 1 Nr. 1
Eintragung des Patrick Hamilton aus Linlithgow und seiner schottischen Begleiter in der Marburger Matrikel für das Jahr 1527. UniA MR 305m 1 Nr. 1

Einer der ersten ausländischen Anhänger der neuen evangelischen Konfession, der sich in Marburg 1527 immtrikulierte, war der Schotte Patrick Hamilton. Hamilton wurde von seinem Biographen als „erster Prediger und Märtyrer der schottischen Reformation“ bezeichnet. Er stammte aus einer adeligen Familie und hatte im Alter von 14 Jahren 1517 eine Pfründe erhalten, von deren Einkünften er nach Paris an die Universität ging. Hier kam er mit dem Humanismus und kirchenkritischen Lehren in Berührung. 1520/21 hielt er sich inLöwen auf, 1523 kehrte er an die Universität von St. Andrews zurück, an deren Artistischer Fakultät er nun lehrte. Er beschäftigte sich mit protestantischem Gedankengut, vor allem Luthers Schriften. Anfang 1527 verließ er Schottland, um einem Ketzerprozess zu entgehen, und wollte nach Wittenberg, den Ursprungsort der protestantischen Lehre reisen. Auf dem Weg nach Wittenberg kamen Patrick Hamilton mit seinen Begleitern Johannes Hamilton, einem Verwandten, und Gilbert Winram vermutlich entweder durch Marburg oder hörte von der Neugründung. Sie immatrikulierten sich und Patrick Hamilton wurde Schüler des Theologen Franz Lambert von Avignon. Die einer im Sommer 1527 abgehaltenen Musterdisputation zugrunde liegenden Thesen bzw. Zitate (loci) wurden posthum als „Patricks Places“ veröffentlicht und stellen das wichtigste Werk der lutherischen Phase der schottischen Reformation dar. Im Herbst 1527 verließ Patrick Hamilton Marburg und kehrte nach Schottland zurück. Der Ketzerprozess wurde wiederaufgenommen und Hamilton nach dem Bekenntnis seines Glaubens verurteilt und am 29. Februar 1528 in St. Andrews verbrannt. Eine Fotografie des Gedenksteins an ihn und andere schottische Märtyrer ist am Ende der Tafelausstellung „Luther und Europa“ zu sehen. Ein weiterer prominenter "Ketzer", der in der Marburger Matrikel eine Spur hinterließ, war Giordano Bruno. 

Giordano Bruno

Ausgestrichene Eintragung Brunos vom 25. Juli 1586 in der Marburger Matrikel. Von späterer Hand wurde Brunos Name wieder in die Matrikel eingetragen. UniA MR 305m 1 Nr.2

Matrikeleintrag für Giordano Bruno. 305m 1 Nr. 2

Am 25. Juli 1586 ließ sich der ehemalige Mönch Giordano Nola (*1548 Nola †17. Februar 1600 Rom) – besser bekannt als Giordano Bruno – in die Matrikel der Universität eintragen. Bruno hatte zu diesem Zeitpunkt bereits in Europa Furore gemacht. Seine pantheistischen Anschauungen, die Ablehnung der Gottessohnschaft Christi, seine Vorstellung eines unendlichen Weltraums und die Ablehnung des geozentrischen Weltbilds hatten ihm die Gegnerschaft der Römischen Kirche eingetragen, die ihn als Ketzer verfolgte. Nach Stationen in der Schweiz, England und Frankreich hatte ihn sein Weg nach Marburg geführt, wo er hoffte, als Lehrer der Philosophie an der Universität ein Unterkommen zu finden. Der damalige Rektor verweigerte sich aber aus „wichtigen Gründen“ diesem Wunsch. Der für sein heftiges Temperament bekannte Bruno beleidigte daraufhin den Rektor schwer, der nun nicht zögerte, ihn mit einem Federstrich wieder aus der Matrikel auszustreichen. Auch an anderen Orten konnte Bruno nicht auf Dauer sesshaft werden. Eine Einladung nach Venedig wurde schließlich sein Verhängnis. An die Inquisition verraten, machte die Römische Kirche ihm den Prozess, exkommunizierte ihn und ordnete die Verbrennung seiner Schriften an. Seine Schriften gingen ihm dabei nur voraus. Am 17.Februar1600 verbrannte die römische Gerichtsbarkeit Giordano Bruno auf dem Campo de ́ Fiori zu Asche.

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