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Religion als Motor der Bewegung in Zeiten des Rationalismus

Auch das 17. und 18. Jahrhundert gebärdeten sich zuweilen noch ähnlich intolerant wie die Zeitalter davor. Ein Beispiel dafür ist Denis Papin.

Federzeichnung Ferdinand Justis nach einem Ölgemälde der Marburger Professorengalerie
Denis Papin Federzeichnung Ferdinand Justis nach einem Ölgemälde der Marburger Professorengalerie

Papin wurde 1647 in Blois geboren, studierte in Angers, erwarb einen Doktorgrad in der Medizin und arbeitete dann in der praktischen Physik zeitweise in Paris, London und ab 1681 in Venedig. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 war ihm als Hugenotte die Rückkehr nach Frankreich verwehrt. Landgraf Karl von Hessen-Kassel berief ihn 1688 als Professor für Mathematik nach Marburg. Ausgestellt ist seine Bestallung durch Landgraf Karl.

Bestallung für Denis Papin als Professor der Mathematik und Physik an der Universität Marburg. UniA MR 305a Nr. 5955
Bestallung für Denis Papin als Professor der Mathematik und Physik an der Universität Marburg. UniA MR 305a Nr. 5955

Papin hatte 1679 in London einen Schnellkochtopf mit Dampf entwickelt, der wegen eines fehlenden Sicherheitsventils explodierte, arbeitete in Venedig an Dampfkanonen und entwickelte in Marburg die erste Dampfmaschine, die aus einem Zylinder bestand, der von außen abwechselnd erwärmt und abgekühlt wurde und so einen Kolben bewegte. Seine ab 1695 in Kassel für die Wasserkünste auf der Wilhelmshöhe entwickelte Dampfdruckpumpe funktionierte wegen Unzulänglichkeiten des Materials nur kurz. In Marburg geriet Papin in Auseinandersetzungen (Cartesianismusstreit) um seine praktische Physik, da sie der christlichen Religion zuwider laufende Prinzipien enthalte. Sein heftigster Kontrahent in dem Streit war Prof. Thomas Gautier, ebenfalls ein Hugenotte. 1707 kehrte Papinnach London zurück und starb dort 1712 verarmt. Ähnlich wie Papin in Marburg mit der intellektuellen Engbrüstigkeit der reformierten Theologen in Konflikt geriet, sollte es etwa 30 Jahrespäter dem Philosophen Christian Wolff mit den Pietisten in Halle an der Saale ergehen.

Christian Wolff

Federzeichnung Ferdinand Justis nach einem Ölgemälde der Marburger Professorengalerie
Federzeichnung Ferdinand Justis nach einem Ölgemälde der Marburger Professorengalerie

In der kleinteiligen Welt des Alten Reiches begann das „Ausland“ bereits jenseits der Grenze der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Deshalb können wir in dieser Zeit unter den Obertiteln der Mobilität und Internationalität getrost auch auf den Philosophen Wolff (*24.Januar 1679 †9. April 1754) hinweisen, der als Untertan des Königs von Preußen wegen seiner philosophischen Positionen nicht mehr wohlgelitten war und die Hallenser Universität mit der Philippina vertauschte. Wolff hatte Theologie, in der Hauptsache aber Mathematik und Physik in Jena studiert. Ab 1706 war er Professor für Mathematik undPhilosophie an der Universität Halle. Die fruchtbare Auseinandersetzung mit fernöstlicher Weisheitslehre (u. a. Konfuzius) brachte ihn in Gegensatz zur pietistischen Orthodoxie. Seine Gegner beschuldigten ihn des Atheismus und erreichten seine Verweisung außer Landes. Für Marburg war dies ein glücklicher Umstand, denn der hessische Landgraf konnte Wolff als Professor gewinnen. Von 1723bis 1740 wirkte er an der Landesuniversität und zog nicht wenige Studierende in die kasselischen Lande. Der bekannteste darunterwar der Russe Michail Lomonossow.

Bestallung Christian Wolffs als Professor der Mathematik und Philosophie an der Universität Marburg 1723 (Vorderseite). UniA MR 305a 5955
Bestallung Christian Wolffs als Professor der Mathematik und Philosophie an der Universität Marburg 1723 (Vorderseite). UniA MR 305a 5955

Bestallung Christian Wolffs als Professor der Mathematik und Philosophie an der Universität Marburg 1723 (Rückseite). UniA MR 305a 5955
Bestallung Christian Wolffs als Professor der Mathematik und Philosophie an der Universität Marburg 1723 (Rückseite). UniA MR 305a 5955

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