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Meydenbauers Messbildverfahren

Neben den Entwicklungen des französischen Wissenschaftlers Aimé Laussedat, der bereits 1854 eine erste Publikation zur Photogrammetrie verfasste und 1859 erste photogrammetrische Aufnahmen durchführte, bildet das von Albrecht Meydenbauer entwickelte Messbildverfahren die eigentliche Grundlage für die Photogrammetrie, einem Fernerkundungs- und Vermessungsverfahren, dass die berührungslose Ausmessung von Objekten und deren Rekonstruktion aus Fotografien ermöglicht.

Nachdem Albrecht Meydenbauer 1858 bei der Vermessung der Wetzlarer Domfassade beinahe verunglückte, beschäftigte ihn die Idee, die direkte Vermessung einer Fassade durch die optische Vermessung mittels der Fotografie zu ersetzen. Meydenbauer begann ein Verfahren zu entwickeln, welches es ermöglichte, die absoluten Maße eines Bauwerkes durch Umkehrung der Perspektive im Bild zu ermitteln und so die bisher anhand von unmittelbar am Bauwerk ermittelten Maßen angefertigte Architekturzeichnung zu ersetzen.

1860 verfasste Meydenbauer eine Denkschrift an den Preußischen Staatskonservator Ferdinand von Quast, worin erste Grundgedanken zur Photogrammetrie formuliert wurden. Anlässlich der Internationalen Fotografischen Ausstellung in Berlin stellte er fünf Jahre später das Messbild einer Hausfassade gemeinsam mit der hieraus gewonnenen zeichnerischen Auswertung vor.

Ein erstes System aus fotografischer Kamera und Messinstrument entstand 1867. Meydenbauer nutzte die kompakte Bauweise der Kamera und eine feste Fokussierung als Definition einer Kamerakonstante, um nach der erfolgten Aufnahme die Maße des fotografierten Objektes ermitteln zu können. Eingesetzt wurde ein Pantoscop-Weitwinkelobjektiv mit einer Brennweite von 25 cm und einem Bildwinkel von 105º. Um eine detailgetreue Aufnahme zu gewährleisten, wurde als Fotoplatte  geschliffenes Spiegelglas im Format 30 x 30 cm verwendet, welches an einen festen Rahmen angelegt wurde, der die Festlegung der Bildebene ermöglichte und mit einem Fadenkreuz als Koordinatensystem versehen war. Durch die Montage der Kamera auf einem Dreibeinstativ war es zudem möglich, die Kameraachse horizontal und die Bildebene vertikal anzupassen. Erste Tests mit dieser Messbildkamera wurden noch im gleichen Jahr in Freyburg an der Unstrut in Form von Aufnahmen der Stadtkirche sowie einem Geländeausschnitt durchgeführt.

In den folgenden Jahren entwickelte Meydenbauer die Kameras stetig weiter, indem er unterschiedliche Bildformate verwendete, um entweder mittels eines größeren Formats von 40 x 40 cm eine höhere Informationsdichte in den Bildern zu erreichen oder um durch Verkleinerung des Bildformats auf 20 x 20 cm die Kamera transportabler zu machen. Gleichzeitig ersetzte er das feste Kameragehäuse durch einen flexiblen, lichtundurchlässigen Textilschlauch mit justierbaren Stahlstangen, um eine vertikale Verschiebung des Objektivs und damit die Anpassung gegenüber dem zu fotografierenden Objekt vornehmen zu können.

Verschiedene von Meydenbauer durchgeführte Testaufnahmen, Vorträge und Publikationen weckten das Interesse der preußischen Regierung. 1883 wurde auf Antrag des Preußischen Ministeriums für öffentliche Arbeiten eine Vermessung der Marburger Elisabethkirche durchgeführt. Es erfolgte die Auswertung von Messbildfotografien der Kirche bei gleichzeitiger Kontrolle durch eine herkömmliche Vermessung.

1885 wurden nach einer Haushaltsdebatte 12.000 Reichsmark im Staatshaushalt bewilligt, um das Messbildverfahren im Dienst der staatlichen Denkmalpflege weiterzuentwickeln und es zur systematischen Dokumentation von Kulturdenkmälern einzusetzen. Meydenbauer wurde als Regierungs- und Baurat an das preußische Ministerium der Kultur berufen und gründete noch im gleichen Jahr die Königlich Preußische Messbildanstalt als weltweit erste fotogrammetrische Institution, die er gleichzeitig bis 1909 leitete. In dieser Zeit konzentrierte sich die Messbildanstalt hauptsächlich auf Aufnahmen preußischer Denkmäler, ca. 11.000 Fotografien von ca. 1.200 Objekten entstanden. Es wurden aber auch ca. 1.600 Fotos von 100 Gebäuden im übrigen Deutschland und ca. 800 Fotos außerhalb Deutschlands angefertigt, so unter anderem auf einer Orientreise die Ruinenfelder von Baalbek und Palmyra.

1921 wurde die Messbildanstalt aufgrund der schlechten Finanzlage geschlossen, die Negative gingen in den Bestand der Staatlichen Bildstelle Berlin über. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sowohl die Bildplatten als auch die Geräte durch sowjetische Truppen beschlagnahmt und nach Moskau gebracht. Erst 1958 erfolgte die Rückgabe der Negative an die DDR und an die neu gegründete Kunstgeschichtliche Bildstelle des Instituts für Kunstgeschichte der Humboldt-Universität Berlin. Die dort unterhaltene Sammlung ging 1968 unter der Bezeichnung Messbildstelle in das Institut für Denkmalpflege über, das ab 1977 als eigenständige Einheit des VEB Denkmalpflege weitergeführt wurde. Seit 1991 erfolgt die Pflege des Messbildarchivs mit einem Bestand von etwa 100.000 Aufnahmen durch das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege in Zossen-Wünsdorf.