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Bachelor- und Masterarbeitsthemen in der AE Theoretische Kognitionswissenschaft

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Sensorimotorische Komponente von Reaktionszeiten

Ziel: Wir wollen aus Verhaltensdaten ein umfassendes Modell der Aufmerksamkeitssteuerung erschliessen. Um einen zentralen Teil des Modells zu vervollständigen, sind wir daran interessiert, die Entscheidungskomponente und die sensorisch-motorische Komponente (SMC) von Reaktionszeiten zu entwirren (siehe Beispiel in Abbildung 1a). Wir wissen nicht mit genau genug, wie die SMC verteilt ist. Dies soll in dieser Bachelor- / Masterarbeit untersucht werden.

Hintergrund: Wir nehmen an, dass die insgesamt beobachtete Reaktionszeit eine Summe verschiedener Zeitkomponenten ist. Wie Luce beschreibt [1], kann eine Reaktionszeit in mindestens fünf Komponenten zerlegt werden: neuronale Spikeerzeugung, Spike-Übertragung zeit im Gehirn, Signalverarbeitung und Erstellung des motorischen Signals für eine relevante Muskelgruppe (diese Teile nennen wir 'Entscheidungskomponenten'), Signalübertragung des motorischen Signals an die Muskeln und schließlich Muskelreaktion - diese Teile nennen wir SMC.

Ihre Aufgabe: Die Hauptfrage dieses Projekts besteht darin, die Verteilung der SMC der Reaktionszeiten zu ermitteln, indem Sie ein Experiment durchführen, bei dem die Teilnehmer aufgefordert werden, die einzige verfügbare Taste zu drücken, sobald sie den Reiz auf dem Bildschirm erkennen. Diese Art von Experimenten wird in der Literatur als SRT-Test (Simple Response Time) bezeichnet (siehe ein Beispiel in Abbildung 1b). Dann werden wir mit Methoden des maschinellen Lernens die beste Verteilung durch Modellauswahl bestimmen. In einigen ähnlichen Experimenten wird der Mittelwert der einfachen Reaktionszeit angegeben über: 208-224 ms [2], 194-256 ms [3], 223-256 ms [4] und 213-231 ms [5], aber die Reaktionszeitverteilung wird nicht beschrieben. Die Kenntnis der RT-Verteilungen ist wichtig, da dieses Wissen die statistische Analyse und die Modellierung kognitiver und psychologischer Prozesse verbessert. In einigen älteren Forschungen, wie [6], wird berichtet, dass die Reaktionszeit eine Konvolution zweier Gaußscher und exponentieller Komponenten ist. Eine repräsentiert die Entscheidungszeit und eine andere repräsentiert die Motorkomponente, obwohl andere Forscher glaubten, dass es nicht überzeugend aus dem Experiment geschlossen werden kann (um der Diskussion zu folgen, siehe [1] Seite 102). Daher werden wir versuchen, diese Frage mit einer Kombination aus Psychophysik und maschinellem Lernen zu beantworten.

Grafik: Neda Meibodi
(a)
Neda Meibodi
(b)

Abbildung 1: (a) Reaktionszeitverteilung von Versuchspersonen in einer Mehrfachauswahlaufgabe. Der fit mit einer inversen Gaussverteilung (rote Kurven) passt deutlich besser zu den Daten, wenn die SMC davor subtrahiert wird (grünes Histogramm). (b) Einfache Reaktionszeitaufgabe: die Versuchspersonen drücken einen Knopf sobald der Stimulus erscheint.

Literatur:

[1] R. D. Luce, Response Times: Their Role in Inferring Elementary Mental Organization. New York: Oxford University Press, 2008.
[2] R. Amini Vishteh, A. Mirzajani, E. Jafarzadehpour, and S. Darvishpour, "Evaluation of simple visual reaction time of dfferent colored light stimuli in visually normal students," Clinical Optometry, vol. 11, pp. 167-171, 2019.
[3] A. Batra, D. Jeph, and S. Vyas, "Color difference on simple visual reaction time in young volunteers," International Journal of Clinical and Experimental Physiology, vol. 1, no. 4, p. 311, 2014.
[4] A. Jain, R. Bansal, A. Kumar, and K. Singh, "A comparative study of visual and auditory reaction times on the basis of gender and physical activity levels of medical first year students," International Journal of Applied and Basic Medical Research, vol. 5, no. 2, p. 124, 2015.
[5] D. L. Woods, J. M. Wyma, E. W. Yund, T. J. Herron, and B. Reed, "Factors in uencing the latency of simple reaction time," Frontiers in Human Neuroscience, vol. 9, no. MAR, pp. 1-12, 2015.
[6] R. H. Hohle, "Inferred components of reaction times as functions of foreperiod duration," Journal of Experimental Psychology, vol. 69, no. 4, pp. 382-386, 1965.

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Bewegungsprimitive beim Tanzen in Virtual Reality

Unsere Körper verfügt über eine große Zahl von Gelenken, die von unseren Nervensystemen in Echtzeit kontrolliert werden müssen. Eine Theorie zur Motoriksteuerung postuliert die Existenz von Bewegungsprimitiven (movement primitives) um diese Kontrolle zu vereinfachen. Eine Bewegungsprimitive ist eine gespeicherte, stereotype Bewegungskomponente, die bei Bedarf in Kombination mit anderen Primitiven kombiniert werden kann, um neue Bewegungen zu erzeugen. Ob diese Primitive existieren, also im Nervensystem implementiert werden, ist eine bis dato ungekläre Frage. In dieser Bachelor/Masterarbeit soll untersucht werden, ob sich Bewegungsprimitive auch dazu eignen, Tanzverhalten zu modellieren. Hierzu werden wir die Tanzbewegungen der Versuchspersonen im Virtual-Reality Testraum aufnehmen und durch Bewegungsprimitive modellieren. Die so modellierten Bewegungen sollen dann in einem Wahrnehmungsexperiment validiert werden.

Literatur

D. Endres, E. Chiovetto, and M.A. Giese (2013). Model selection for the extraction of movement primitives. Frontiers in Computational Neuroscience, 7:185, 2013. DOI:10.3389/fncom.2013.00185.

D. Endres, E. Chiovetto, and M.A. Giese (2015). Bayesian approaches for learning of primitive-based compact representations of complex human activities. In J.P. Laumond and A. Naoko, editors, Dance notation and robot motion, Springer Tracts in Advanced Robotics 111. Springer.

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Kann der Mensch lernen, einen zusätzlichen Arm zu kontollieren?

Unsere Körper verfügt über eine große Zahl von Gelenken, die von unseren Nervensystemen in Echtzeit kontrolliert werden müssen. Eine Theorie zur Motoriksteuerung postuliert das dies per Optimalsteuerung (optimal control) geschieht, d.h. für jedes Handlungsziel wird eine optimale Bewegung berechnet, um dieses Ziel zu erreichen. Zwei wesentliche Vorhersagen dieser Theorie sind: a) höhere Varianz in Freiheitsgraden (Gelenkwinkeln), die nicht relevant für das Erreichen des Zieles sind, und b) Existenz von Synergieen zwischen Freiheitsgraden. In diesem Projekt soll untersucht werden, ob die höhere Varianz in nicht-zielrelevanten Freiheitsgraden benutzt werden kann, um damit einen dritten Arm zu kontrollieren, oder ob diese Varianz nicht kontollierbar ist. Hierzu soll ein Experiment im Virtual-Reality Testraum durchgeführt werden, in dem Versuchspersonen einen dritten Arm erhalten. Zunächst sollen die Freiheitsgrade hoher Varianz per Bewegungsaufzeichnung festgestellt werden, sodann werden diese Freiheitsgrade an den dritten Arm gekoppelt. Die VPs müssen dann einen 3-armige Manipulationsaufgabe lernen. Wir wollen die Lernbarkeit der Aufgabe feststellen, sowie die Schwierigkeit der Lernaufgabe quantifizieren und die Varianz in den 'umgelernten' Freiheitsgraden untersuchen. Im Weitern möchten wir ebenfalls verstehen, ob die VPs neue Bewegungsprimitive/Synergieen für diese Aufgabe lernen.

Literatur

A. Won, J. Bailenson, J. Lee and J. Lanier (2015). Homuncular Flexibility in Virtual Reality. Journal of Computer-Mediated Communication 20, 241–259.

D. Endres, E. Chiovetto, and M.A. Giese (2013). Model selection for the extraction of movement primitives. Frontiers in Computational Neuroscience, 7:185, 2013. DOI:10.3389/fncom.2013.00185.

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Wie immersiv ist Consumer-VR im Vergleich zu High-End VR? 

Im Virtual-Reality Testraum des Fachbereichs tauchen Versuchspersonen in virtuelle Wirklichkeiten ein, indem sie ein Head-Mounted-Display (HMD) aufsetzen, durch das eine dreidimensionale, 'immersive' virtual-reality Erfahrung erzeugt werden soll. Doch wie glaubwürdig sind diese Immersionserfahrungen wirklich? Wie groß ist der unterschied zwischen einem (billigen) consumer-grade HMD und einem wesentlich teureren, professionellen HMD? Wir wollen dies anhand eine rubber hand Illusion untersuchen: in den künstlichen Wirklichkeiten werden die Versuchspersonen mit einem künstlichen Körper versehen, dessen Glaubwürdigkeit mittels Fragebögen und reflexartiger Reaktionen getestet wird. Uns interessiert hier, ob es einen messbaren Glaubwürdigkeitsunterschied zwischen dem Oculus Rift HMD und dem NVIS ST50 HMD gibt.

Literatur

N. Taubert, M. Löffler, N. Ludolph, A. Christensen, D. Endres, and M.A. Giese. A virtual reality setup for controllable, stylized real-time interactions between humans and avatars with sparse Gaussian process dynamical models. Proceedings of the ACM Symposium on Applied Perception, pages 41–44, 2013. DOI: 10.1145/2492494.2492515.

M. Slater, B. Spanlang, M.V: Sanchez-Vives, O. Blanke (2010) First Person Experience of Body Transfer in Virtual Reality. PLoS ONE 5(5): e10564. doi:10.1371/journal.pone.0010564

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Test visueller Ähnlichkeitsmodelle

(Visuelle) Ähnlichkeit wird in der kognitiven Neurowissenschaft oft eingesetzt, um mentale und neuronale Repräsentationen miteinander zu vergleichen. Für valide Vergleiche ist eine Formalisierung des Ähnlichkeitsbegriffs erforderlich, die Unvergleichbarkeit und nicht-Transitivität abbilden kann, da sich diese Eigenschaften in menschlichen Daten finden. Von beliebten Standardmethoden, wie z.B. multi-dimensionale Skalierung und Einbettung in euklidische Räume, können diese Eigenschaften nicht abgeleitet werden, vom Kontrastmodell der Ähnlichkeit nach A. Tversky hingegen schon. Wir wollen untersuchen, ob die Axiome dieses Modells in der erweiterten Form nach Geist et. al (1996) das Verhalten von Versuchspersonen abbilden. Insbesondere soll die Frage beantwortet werden, ob aus Merkmalen von Objekten deren Paar-Teilordnung vorhergesagt werden kann (vgl. auch unser EXPRA letztes Semester, in dem wir diese Frage zwar diskutiert, aber nicht beantwortet haben).

Literatur

A. Tversky (1977) Features of similarity . Psychological Review, Vol 84(4), Jul 1977, 327-352. http://dx.doi.org/10.1037/0033-295X.84.4.327

S. Geist, K. Lengnink, R. Wille (1996). An Order-Theoretic Foundation for Similarity Measures. In: K. Lengnink, Formalisierungen von Ähnlichkeit aus Sicht der Formalen Begriffsanalyse, Shaker-Verlag, 1996. ISBN 3-8265-1393-2

D. Endres, R. Adam, M.A. Giese, and U. Noppeney (2012). Understanding the semantic structure of human fMRI brain recordings with Formal Concept Analysis. In Proceedings of the 10h International Conference on Formal Concept Analysis (ICFCA 2012), LNAI 7278, pages 96–111. Springer

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