20.12.2023 CfP Aggressive Ästhetik - ästhetische Aggression: Probleme des Satirischen

Literaturwissenschaftliches Symposium, Schloss Rauischholzhausen, 26.-28.9.2024

Beginn von Horaz, Sermones 1.1, in einer Handschrift aus dem 11. Jahrhundert
Bild: BNF Paris

Der Satire ist nicht leicht beizukommen. Nicht erst die jüngeren Diskussionen um die rechtlichen Konsequenzen und Grauzonen satirischer Schmähdichtung rückte die künstlerische Form der Satire in den Kontext funktional-kommunikativer Wirkung. Zwar kann sich der Satiriker (juristisch) auf den ästhetisch-fiktionalen Charakter seines Schaffens (und damit auf die Kunstfreiheit) berufen, zugleich wird dennoch ästhetisierter Aggression immer wieder auch mit realer Gewalt begegnet (Charlie Hebdo). Auf der anderen Seite steht die Wirksamkeit der Satiriker, die von Aristophanes über Grimmelshausen bis zur investigativen Satire eines Jon Stewart oder John Oliver stets ihren Nutzen betont haben, selbst zur Disposition, wie es in Woody Allens Manhattan (1979) zugespitzt wird: Wäre einem Neonazi-Aufmarsch nicht besser mit Baseball-Schlägern beizukommen als mit einem satirischen Artikel in der New York Times?

 Die Satireforschung ist seit den 1950er Jahren zwischen den beiden Polen des formalistischen, ästhetisch-rhetorischen Ansatzes der sogenannten Yale School (A. Kernan, R.C. Elliot, R. Paulsen, u.a.) auf der einen und dem historisch-pragmatischen Satireverständnis der sogenannten Chicago-School (u.a. S. Sacks, E. Rosenheim) auf der anderen Seite geprägt. Pointiert formuliert wurde hier die Frage diskutiert, ob Satire den ästhetischen Genuss oder die Referenz auf die Wirklichkeit und damit die Kommunikation mit und über reale Personen intendiert (intentionalism/reader-response). Der Gegensatz durchzieht auch die deutschsprachige Forschung: Während manche (H. Arntzen, J. Brummack, K. Lazarowicz) das Satirische formal zu bestimmen suchten und für den Autonomieanspruch der Satire plädierten, wandten sich viele eher der pragmatischen Ausrichtung zu (u.a. K. Hempfer, K. Preisendanz, Chr. Deupmann) und waren an den sozialen, rechtlichen und kommunikativen Aspekten von Satire als „ästhetisch sozialisierte[r] Aggression“ (Brummack) interessiert. In jüngerer Zeit hat sich der Trend zum pragmatischen Ansatz fortgesetzt: Zu nennen sind hier Schönerts Entwurf eines „funktionale[n] Modell[s] zur Beschreibung von Textstruktur und kommunikativer Wirkung“ (Schönert 2011), A. Mahlers „satirischer Kontrakt“ (2017) und K. Lanius‘ systemtheoretisch orientierter Beitrag (2019). 

 Die Tagung, die sich an alle literaturwissenschaftlichen Fächer und angrenzenden Disziplinen richtet, möchte demgegenüber (wieder) die Ästhetik der Satire in den Fokus stellen, ohne dabei ihren medial-kommunikativen Charakter zu vernachlässigen. Jenseits der Dichotomie soll dabei gerade das Wechselverhältnis zwischen Ästhetik und Wirklichkeitsbezug/Wirkung der Satire in den Blick genommen werden. Wir wollen ausloten, was jenseits der verschiedenen literarischen Formen eigentlich das spezifisch Ästhetische der Satire ist. Zugleich fragen wir danach, wie gerade die Ästhetisierung die Wirkung des Satirischen beeinflusst. Wie hängen also satirische Formung und Kommunikation zusammen? 

 Bitte senden Sie Ihre Vorschläge (ca. 100-150 Wörter) für Beiträge bis zum 22.12.2023 an die Organisatoren: daniel.wendt@uni-marburg.de oder Peter.v.Moellendorff@klassphil.uni-giessen.de

 Zum Ablauf:

Die Tagung wird vom 26.9. (abends) bis 28.9.2024 im Schloss Rauischholzhausen (zwischen Gießen und Marburg) stattfinden. Im Zentrum der Tagung soll die gemeinsame Diskussion stehen. Alle eingeladenen Teilnehmer:innen werden daher gebeten, eine schriftliche Fassung ihres Vortrags (maximal 50.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) bis zum 1. Juni 2024 einzureichen. Während der Tagung werden wir ausführlich über die schriftlich vorliegenden Beiträge sprechen. Für jeden Beitrag sind insg. etwa 60 Minuten vorgesehen, davon stehen ca. 10 Minuten den Verfasser:innen zur Verfügung, die Kernpunkte zu präsentieren. 

Im Juli 2024 werden alle eingesandten Beiträge gebündelt allen Teilnehmer:innen zugänglich gemacht. Die Teilnehmer werden gebeten, sich im Vorfeld der Tagung durch die Lektüre aller Beiträge vorzubereiten.

Eine Publikation der Beiträge ist geplant. Um eine rasche Veröffentlichung im Anschluss an die Tagung zu gewährleisten, wird der Einsendeschluss für die überarbeiteten Fassungen der Beiträge der 1. Februar 2025 sein.

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Dr. Daniel Wendt
Philipps-Universität Marburg
Institut für Klassische Sprachen und Literaturen (IKSL)
Fachgebiet für Klassische Philologie
Wilhelm-Röpke-Straße 6d
35032 Marburg

 Prof. Dr. Peter von Möllendorff
Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut für Altertumswissenschaften, 
Klassische Philologie
Otto-Behaghel-Str. 10, 
35394 Gießen

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