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Jahresfeier 2025 | 16. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht mit Prof. Dr. Annette Weinke
Die 22. Jahresfeier des International Centre for War Crimes Trials (ICWC) fand am 19.11.2025 im Deutschen Sprachatlas der Philipps-Universität Marburg statt und wurde durch den "Göttinger Verein zur Förderung der Strafrechtswissenschaft und Kriminologie sowie ihrer praktischen Anwendung" gefördert. Die traditionelle 16. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht hielt in diesem Jahr Prof. Dr. Annette Weinke, Historikerin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie referierte zum Thema „Das vereinte Deutschland und das Völkerstrafrecht“.
Zu Gast waren unter anderem die Teilnehmenden des gleichzeitig stattfindenden ICWC-Symposiums „From the Crimes to the Beginning of the Judicial Reappraisal of National Socialism“ anlässlich des 80. Jahrestags des Beginns des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses.
Die Eröffnung des Festaktes übernahm die Geschäftsführende Direktorin des ICWC, Prof. Dr. Stefanie Bock. Anschließend übergab sie das Wort an den Universitätspräsidenten, Prof. Dr. Thomas Nauss, der in seinem Grußwort auch mahnende Worte zum steigenden Antisemitismus fand. Daran schloss sich ein weiteres Grußwort des Dekans des Fachbereichs 01 Rechtswissenschaften, Prof. Dr. Markus Roth, an.
Sodann stellte der Geschäftsführer des ICWC, Dr. Henning de Vries, den Geschäftsbericht für das Jahr 2025 vor. Wir blicken auf ein vielfältiges und gelungenes „Erinnerungsjahr 1945:2025“ zurück. Neben dem 80. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse wurde in der ersten Jahreshälfte erfolgreich die Ausstellung „1945 in und um Marburg“ im Erwin-Piscator-Haus eröffnet. Zugleich richtete das ICWC ein Symposium zum Kriegsende und zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8. Mai aus.
Darüber hinaus besuchten Studierende des Masterstudiengangs „Internationale Strafjustiz“ die Summer School „Atrocity Crimes Prevention“ in Dubrovnik und unternahmen im Rahmen des Lehrforschungsprojektes „Verfahren gegen Reichsbürger:innen“ eine Exkursion nach München.
Wie die Universität Marburg selbst, erhielt auch das ICWC einen „neuen Anstrich“: Das neue Corporate Design wurde vorgestellt. Zudem konnte die Wissenschaftskommunikation weiter ausgebaut werden – unter anderem durch Auftritte von Ko-Direktor Prof. Dr. Eckart Conze und Prof. Dr. Stefanie Bock in verschiedenen Podcasts und Interviews, ebenso wie durch diverse Info-Postings auf den Social Media-Kanälen des ICWC (Instagram | LinkedIn).
In ihrem Festvortrag „Das vereinte Deutschland und das Völkerstrafrecht“ zeichnete Prof. Dr. Annette Weinke schließlich die Entwicklung des modernen Völkerstrafrechts nach und verknüpfte diese mit der Rolle des vereinigten Deutschlands seit den 1990er Jahren. Ausgangspunkt ist die Phase, in der Menschenrechte und das „neue“ Völkerstrafrecht als Rahmen internationaler Politik galten: Vor dem Hintergrund einer wertegeleiteten Außenpolitik und eines verstärkten Engagements im internationalen Konfliktmanagement wurde die Berliner Republik nach Jahrzehnten weitgehender Zurückhaltung zu einer zentralen Akteurin bei der Modernisierung und Institutionalisierung des Völkerstrafrechts. Weinke rekonstruierte dabei die internationalen und nationalen Rahmenbedingungen, unter denen sich diese Öffnung vollzog. Zur Einordnung schlug der Vortrag einen weiteren historischen Bogen: Von den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 über die Charta der Vereinten Nationen bis hin zur Londoner IMT-Charta von 1945, in der die Kategorien Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kodifiziert wurden. Thematisiert wurden zudem die Erfahrungen mit Bevölkerungstransfers in den 1940er Jahren, das Alliierten-Kontrollratsgesetz (Control Council Law) als frühes Instrument der Ahndung schwerster Gewaltverbrechen sowie die Auseinandersetzung mit Völkermordverbrechen, insbesondere an Jüdinnen und Juden sowie an Kurd:innen. Auf dieser Grundlage zeigte Weinke, wie sich das Verständnis von Völkerstrafrecht wandelte, welche Kontinuitäten und Brüche die bundesdeutsche Politik prägen und wie sich Deutschland zu einem der wichtigsten Promotoren des modernen Völkerstrafrechts entwickelte.
Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die Zeugnisverleihung an die diesjährigen Absolvent:innen des Masterstudiengangs „Internationale Strafjustiz“ durch Prof. Dr. Stefanie Bock und Prof. Dr. Eckart Conze. Im Anschluss erhielten auch die Absolvent:innen des Trial Monitoring Programmes ihre Zertifikate für den erfolgreichen Abschluss.
Beim anschließenden Get together im Foyer des Deutschen Sprachatlas bot sich den Gästen die Möglichkeit, die Eindrücke des Abends nachklingen zu lassen und miteinander ins Gespräch zu kommen. So fand ein ereignisreiches Jahr einen stimmigen und festlichen Abschluss.