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Gefühl als „Saft“ und „Geschmack“: Ansätze zu Subjektivität, Intersubjektivität und Objektivität von Stimmungen und Emotionen in altindischen Rasa-Theorien

Gerrit Lange, M.A. (Philipps-Universität Marburg, Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft)

18. Januar 18 Uhr c.t.

Foto: Privat

Das Nāṭyaśāstra, ein altindischer Leitfaden zur Dramaturgie von Theateraufführungen, enthält eine ausgefeilte Systematik der Emotionen, wie sie auf Bühnen entfaltet und vom Publikum „geschmeckt“ werden sollen. Die rasas, „Geschmäcker“ oder „Essenzen“ einer Theateraufführung, werden in eine enge Beziehung gesetzt zu, aber auch explizit unterschieden von den bhāvas: Gemütszuständen, wie sie im Leben anzutreffen sind. Das Nāṭyaśāstra vergleicht die Zuschauer mit Feinschmeckern, die die auf der Bühne gleichsam zubereiteten rasas verköstigen – in späteren indischen Werken zur Ästhetik und zum Gefühlsleben hingegen haben rasas durchaus auch etwas Mitreißendes und Ergreifendes. Spätestens im 10. Jhd. führte der kashmirische Philosoph Abhinavagupta bhakti, die religiöse Hingabe, als einen rasa ein, der mit der Auflösung persönlicher Identität in einem kollektiven oder gar einem kosmischen Bewusstsein einhergehe. Spätere religiöse bhakti-Traditionen differenzieren dieses Gefühl weiter aus zu verschiedenen, mehr oder weniger ekstatischen Formen der Liebe zu Gott Kṛṣṇa.