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Frühe Salzpapiere

Die hier präsentierten Salzpapiere der Marburger Sammlung von Moritz Eduard Lotze (1809-1890) und John Brampton Philpot (1812-1878) sind rare Zeugnisse eines der ersten fototechnischen Verfahren und ebenso frühe Beispiele der parallel zum Tourismus erwachsenden Reisefotografie. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, zeigen die detailreichen Aufnahmen Architektur- und Stadtansichten aus Florenz und Verona sowie einzelne Kunstwerke besonderer Bedeutung. Sie offenbaren, wie die aus Malerei und Graphik vertrauten und bewährten Methoden der Bildgestaltung und Formensprache in der noch jungen Kunstgattung Fotografie weiterlebten und produktiv neugestaltet wurden.

   

Die Technik der Salzpapierfotografie, auch Kalotypie genannt, bot um die Mitte des 19. Jahrhunderts andere Möglichkeiten, als das besonders für die Portraitfotografie verwendete Verfahren der Daguerreotypie. Als Negativ-Positiv-Verfahren ermöglichte die Kalotypie die Herstellung einer beliebigen Anzahl von Abzügen, die der Fotograf einem interessierten Publikum und größeren Kundenkreis entsprechend günstig anbieten konnte. Durch den sich zeitgleich mit der Fotografie dynamisch entwickelnden Tourismus, der durch die Eisenbahnreise allmählich zu einem Massenphänomen wurde, stieg die Nachfrage nach Abbildern der beliebten Reiseziele, die von den Reisenden als Souvenirs erworben wurden. So bereisten immer mehr Fotografen die touristisch interessanten Gegenden oder ließen sich in den Zentren nieder.

John Brampton Philpot und Moritz Lotze sind zwei dieser Pioniere aus der Frühzeit der Reisefotografie. Beide waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Italien gekommen, um dort als Fotografen zu arbeiten. Der Brite Philpot war vermutlich ab 1850 in Florenz tätig, während der aus München stammende Lotze von 1854 bis 1868 ein Fotoatelier in Verona führte. Beide Städte waren damals wie heute wichtige Stationen auf den Routen der Italienreisenden und verfügten durch ihren Reichtum an Bau- und Kunstdenkmälern über einen bemerkenswerten Motivvorrat für den neuen Markt.

Die Salzpapiere der Marburger Sammlung, es sind insgesamt 32 Stück, belegen, wie gerade die frühen Fotografen in der Traditionslinie der ebenfalls bereits auf den Tourismus ausgerichteten Vedutenmalerei und topographischen Druckgraphik des 18. Jahrhunderts aus Malerei und Graphik vertraute Methoden der Bildgestaltung übernahmen und deren gestalterische Formeln in der noch jungen Gattung der Fotografie produktiv umsetzten.

Lotze und Philpot arbeiten jedoch in diesem Genre nach Technik, Komposition und Bildgestaltung unterschiedlich, wie sich anhand der hier ausgewählten Beispiele nachvollziehen lässt. Die Beispiele von Lotze lassen besonders deutlich erkennen, dass Vedutenmalerei und Lithographie seinen fotografischen Stil bestimmen. Seine Aufnahmen vermitteln einen malerisch-stimmungsvollen Raum, indem sie auch Personen im Bild zeigen. Philpot konzentriert sich dagegen auf die den kunsthistorisch gebildeten Touristen interessierenden Hauptobjekte, die er ebenso ästhetisch zu inszenieren wusste.

Ein besonderer Reiz der frühen Salzpapiere, der im Vergleich der Originale deutlich wird, ist deren variierende Farbigkeit, die die Fotografen kontrolliert einsetzen konnte. Während die Papiere Philpots eher bläulich erscheinen, so weisen jene Lotzes einen rot-braunen Ton auf. 

Lit.: Tamassia, Marilena, Florenz, 2002

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