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Trittsiegel eines Birkhuhns in Tuff

Carmen Stähler

Foto: Ulrike Söder

Die Trittsiegel eines späteiszeitlichen Birkhuhns haben sich im vulkanischen Bimstuff bis heute erhalten. Foto: Ulrike Söder, Bearbeitung: Ann-Cathrin Scherf

Fundort: Mertloch-Polch, Rheinland-Pfalz, Deutschland
Objekt: Bimsplatte mit Birkhuhnspur
Datierung: ca. 11./10. Jahrtausend v. Chr.
Provenienz: Schenkung L. Fiedler, 2002
Inventarnummer: 19651

Soweit das Auge reicht ist die Landschaft von feinem, weißem Puder bedeckt, alles trägt einen hellen Mantel und scheint darunter selig zu schlummern. Die vereinzelt stehenden Birken verschwinden schon fast im Bild des späteiszeitlichen Neuwieder Beckens, ihre schmalen weißen Stämme verstecken sich perfekt wie Chamäleons in der farblosen Gegend. Unberührt, bis auf ein paar vereinzelte Tierfährten, liegt sie da. Was wie eine winterliche Schneelandschaft anmutet, ist das Ende einer gewaltigen Naturkatastrophe, die sich ca. 10.900 v. Chr. in der Osteifel ereignete: Der Ausbruch des Laacher See-Vulkans.

In seiner Ausprägung mit dem Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. vergleichbar, der Pomepii und Herculaneum auslöschte und unter Ascheschichten begrub, sind Aschebänder des Laacher See-Vulkans noch in geologischen Profilen in Schweden, Polen, Schweiz und Oberitalien nachweisbar. Die Eruption muss mehrere Wochen gedauert haben, der fallout ging im Neuwieder Becken und dem Westerwald als Bimstuff nieder, der in Schlotnähe bis zu 20 m stark ansteht und so eine einzigartige Momentaufnahme der Flora und Fauna der späten Eisenzeit entstehen ließ.

Heute wird Bims als Rohstoff beispielsweise für Bautätigkeiten oder auch kosmetische Zwecke abgebaut, und bei solchen Abbauarbeiten in Mertloch bei Polch in Rheinland-Pfalz, ca. 15 km vom Krater des Vulkans entfernt, wurde die 44 x 22 x 4 cm große Bimsplatte entdeckt, die zwei Trittspuren eines Birkhuhns trägt. Das Objekt kam 2002 als Geschenk von Lutz Fiedler in die Lehrsammlung des Vor- und Frühgeschichtlichen Seminars. Fiedler lehrte selbst in Marburg steinzeitliche Archäologie und war bis zu seinem Ruhestand 2002 der Leiter der archäologischen Abteilung des Landesamtes für Denkmalpflege in Hessen, Außenstelle Marburg tätig.

Neben dieser Tierspur wurden auf einer Fläche von 170 m2 noch diverse andere Abdrücke von Flora und Fauna im Bims von der Archäologischen Denkmalpflege Koblenz in Zusammenarbeit mit dem Forschungsbereich des RGZM in Monrepos zwischen den Jahren 1993 und 1996 entdeckt. Insgesamt ließen sich Trittsiegel von mehreren Birkhühnern, zwei Braunbären, Rehen oder Rothirschen, Pferden und einem Auerhahn nachweisen. Letzteres ist eine Besonderheit, da bislang in spätpaläolithischen Fundstellen der Umgebung keine Knochen von Auerhähnen identifiziert wurden. Die Spuren laufen teilweise übereinander, so kreuzt ein Birkhuhn nicht lange nach dem Braunbären den Weg. Auch scheint es nach den Ablagerungen des Bims bei Mertloch geregnet zu haben, denn es zeigen sich überall rundlich-ovale Eintiefungen, die als Regentropfen gedeutet werden. Ebenso lassen die Wülste am Rand der Spuren einen nicht allzu feuchten, schlammigen Untergrund vermuten. Auch Kitze und Fohlen können anhand von kleineren Abdrücken nachgewiesen werden, was den Ausbruch des Vulkans in den späten Frühling oder den Frühsommer datieren würde. Pollenprofile als auch Baumstandspuren und Baumwürfe verweisen auf einen lichten Wald aus Birken, Pappeln und Weiden, in höheren Lagen auch Kiefern.

Diese bisher singulären Lebenszeichen der Spätphase des sogenannten Allerøds, einer Warmphase in der letzten Eiszeit (ca. 11.900 v. Chr. bis 10.700 v. Chr.), zeigen die Tierwelt der Osteifel auf, die den spätpaläolithischen Menschen der Federmessergruppen als Jagdwild zur Verfügung stand. Diese hochmobilen Gemeinschaften können sowohl vor dem Ausbruch des Vulkans als auch danach archäologisch im Neuwieder Becken gefasst werden, die Naturkatastrophe hat sie also keineswegs abgeschreckt, erneut in die Gegend zu wandern. Die Federmessergruppen sind nach den typischen Feuersteingeräten mit gebogener Längsseite, die mit Birkenrindenpech in eine Pfeilschäftung geklebt wurden, benannt. Sie jagten schon mit Pfeil und Bogen und ersetzen somit die bis dahin geläufige Speerschleuder.

Literatur

M. Baales/A. von Berg, Tierfährten in der allerødzeitlichen Vulkanasche des Laacher See-Vulkans bei Mertloch, Kreis Mayen Koblenz, ArchKorr 27, 1997, 1-12.

M. Baales, Jäger und Sammler am Ende der letzten Kaltzeit in Mitteleuropa. Ein Überblick zum aktuellen Forschungsstand. In: Eiszeitjäger. Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren. Begleitbuch zur Ausstellung Eiszeitjäger - Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren, LVR-Landesmuseum Bonn 23. Oktober 2014 bis 28. Juni 2015 (Bonn 2014) 45-61.

A. von Berg, Lebensspuren in der Vulkanasche des Laacher See-Ausbruches bei Mertloch, Kreis Mayen-Koblenz, Archäologie in Rheinland-Pfalz 2002 (2003) 18-20.

O. Jöris/M. Street/F. Sirocko, Als der Norden plötzlich wärmer wurde, In: F. Sirocko (Hrsg.), Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung. Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert (Darmstadt 2009) 93-99.

O. Jöris/M. Street, Eine Welt im Wandel. Die späteiszeitliche Besiedlungsgeschichte des Rheinlandes im Kontext von Klima und Umwelt, In: Eiszeitjäger. Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren. Begleitbuch zur Ausstellung 'Eiszeitjäger - Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren', LVR-Landesmuseum Bonn 23. Oktober 2014 bis 28. Juni 2015 (Bonn 2014) 13-27.

H.-U. Schmincke, Der große Knall. Die Laacher See-Eruption und das junge Vulkanfeld der Osteifel, In: Eiszeitjäger. Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren. Begleitbuch zur Ausstellung Eiszeitjäger - Leben im Paradies. Europa vor 15000 Jahren, LVR-Landesmuseum Bonn 23. Oktober 2014 bis 28. Juni 2015 (Bonn 2014) 29-43.