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Adolphe Braun et Cie – Kunstreproduktionen eines elsässischen Fotografenunternehmens

© Bildarchiv Foto Marburg

Unser Sammlungsobjekt zeigt ein Brustbild eines jungen Mannes in historischer Gewandung. Sein leicht ins Profil gedrehtes Haupt und die übrigen mit subtiler Feinheit aufgefassten Figurendetails wurden augenscheinlich mit Rötelkreide auf den Bildträger gezeichnet. Das Blatt ist auf einem grün-blauen Karton montiert, in einem Format, das in graphischen Kabinetten weit verbreitet ist. Die Beschriftung auf dem Karton nennt namentlich den italienischen Künstler Carlo Dolci (1616–1686), und der mit Tusche handgeschriebene Vermerk „Musée de Weimar“ verweist auf die Provenienz der Zeichnung. Die gesamte Aufmachung lässt also keinen Zweifel daran, dass es sich um eine originale Rötelzeichnung des Barock handelt. Doch anstelle farbigen Abriebs des Rötelstiftes bietet sich dem fachkundigen Auge eine mehr oder weniger geschlossene Bildoberfläche dar, in der Farbpigmente gebunden sind. Damit entpuppt sich die vermeintliche Rötelzeichnung als fotografische Reproduktion: Anlass genug, dem Befund auf die Spur zu gehen und spannende Fragen zu stellen.

Die skizzierte Technik und sammlungsinterne Quellen verweisen auf das elsässische Fotounternehmen Adolphe Braun et Cie. Mitte der 1840er Jahre hatte Adolphe Braun (1812–1877) in Dornach seinen bald weltweit agierenden Familienbetrieb begründet. Mitte der 1860er Jahre erwarb der ehemalige Musterzeichner das Pigmentdruck-Patent für Frankreich und Belgien von Joseph Wilson Swan (1828–1914). Mit dessen Methode zur Herstellung lichtbeständiger, fast faksimileartiger fotografischer Reproduktionen von Gemälden, Skulpturen und vor allem Graphiken durch Beimischung unterschiedlich farbiger Pigmente in die Gelatineschicht begründete Braun das bedeutendste Kapitel der Firmengeschichte. Über seinen Tod hinaus reproduzierte sein Familienunternehmen Kunstwerke in den führenden europäischen öffentlichen wie privaten Kunstsammlungen sowie in den USA.

Der Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) legte seinerzeit eine Sammlung von über 10 000 Kunstreproduktionen aus nahezu sämtlichen von Braun fotografierten Sammlungen an. Wohl 1884 übergab er das Konvolut, das heute zu den weltweit größten Beständen Braun'scher Pigmentdrucke zählt, an das Kupferstichkabinett der heutigen Kunsthalle in Karlsruhe. 1982 kamen die Blätter – darunter aufgezogene wie das hier gezeigte Objekt sowie lose Drucke – in unsere Sammlung.

In einem soeben begonnenen Drittmittelprojekt werden die Kunstreproduktionen in höchster Qualität digitalisiert und grundlegend wissenschaftlich erschlossen. Auf diese Weise soll es Forschenden und allen Interessierten ermöglicht werden, den herausragenden Bestand in all seinen Details online zu studieren. Eine Kontextualisierung erfolgt über die geplante Vernetzung mit anderen wissenschaftlichen Online-Ressourcen, darunter auch weitere Bilddatenbanken.

Digitalisierungsprojekt im BMBF-Schwerpunktprogramm „Das kulturelle Erbe – von der Forschung bis zur Bildung“, Förderbereich eHeritage II

Aktuelle Ausstellung zum Fotounternehmen Braun:
L'évasion photographique — Adolphe Braun
17. Februar – 14. Mai 18
(2. Station der Ausstellung des Münchner Stadtmuseums: Adolphe Braun. Ein europäisches Photographie-Unternehmen und die Bildkünste im 19. Jahrhundert) Musée Unterlinden, 1 Rue des Unterlinden, 68000 Colmar, France